Magnus Carlsen gewinnt sein zweites Spiel im Rahmen der Schach-WM 2021 und baut seine Führung damit auf 5,0 zu 3,0 aus. Das riecht jetzt nach einer völligen Vorentscheidung. Dass Jan Nepomnjaschtschi eine Partie gegen den Titelverteidiger gewinnt, ist gewiss nicht ausgeschlossen. Dass er den Norweger, der jetzt stets voll auf Remis und Nummer sicher spielen kann, aber in gleich zwei der potenziell noch bis zu sechs Partien besiegen kann, wirkt nahezu völlig ausgeschlossen. Immerhin spielten dem Herausforderer heute schon die Nerven einen Streich. Mit 10. De1+ gab Carlsen einen kleinen, aber dennoch signifikanten Eröffnungsvorteil nach 41 Minuten Nachdenken ab und sprach damit ein verstecktes Angebot zum Remis aus, das der Russe mit 11... De7 hätte annehmen können. Die Partie wäre dann praktisch tot gewesen. Stattdessen wollte Nepo unbedingt weiterspielen und beging dann mit 24... b5 einen handfesten Fehler, von dem er sich nicht mehr erholen konnte. Zwar wackelte der Weltmeister minimal beim Verwerten, verfehlte den saubersten Gewinnweg und spielte auf der Zielgeraden noch zwei Ungenauigkeiten. Die Stellung war zu diesem Zeitpunkt aber schon aussichtslos für den Russen, der letztlich zur Aufgabe gezwungen war. Nach einem Ruhetag geht es am Dienstag um 13:30 Uhr weiter.

Carlsen schiebt den d-Bauern nach vorne, woraufhin Nepo noch einmal am Königsflügel mit g4 fortsetzt. Nach dem Rausschlagen des Bauern schiebt er auch noch den h-Bauern nach vorne, woraufhin der Weltmeister ganz lässig Df3 zieht. Der Russe streckt in dieser Stellung die Waffen und reicht dem Titelverteidiger die Hand, der seine Führung damit auf 5,0 zu 3,0 ausbaut.

Jan Nepomnjaschtschi kehrt auf die Bühne zurück und gibt das Schach über e3. Der Weltmeister weicht mit dem König auf h1 aus und der Russe schickt den g-Bauern weiter vor, in der Hoffnung, doch noch irgendwie zu Gegenspiel zu kommen. Es bleibt aber dabei: Ohne einen klaren Patzer des Weltmeisters, der sich beim Vollstrecken heute bei Weitem nicht so chirurgisch wie am Freitag unter Zeitdruck präsentiert, kann hier nichts mehr anbrennen.

Magnus Carlsen nimmt sich die gesamte Zeit, um alles doppelt und dreifach zu prüfen. Dann zieht er mit Dd1 auf die Grundlinie. Der Russe ist derweil mal wieder nicht am Brett. Bei noch 75 Minuten Bedenkzeit hat der Russe es aber auch natürlich nicht eilig.

Jan Nepomnjaschtschi stellt seinen Bauern dazwischen.

Fast zehn Minuten lang schaut Magnus Carlsen nach dem einfachsten Gewinnweg. Dann entscheidet er sich mit Dd3+ für ein weiteres Schachgebot, dem vermutlich d5 folgen soll. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass auch der Weltmeister in dieser Gewinnstellung jetzt einen gewissen Druck verspürt. b4 wäre eine sehr simple und effektvolle Fortsetzung gewesen. Auch der Norweger geht jetzt von der Bühne, um sich im Ruheraum etwas zu sammeln.

Jan Nepomnjaschtschi erreicht ebenfalls die Zeitkontrolle und verlässt ein weiteres Mal die Bühne. Der Russe hat keinerlei Chance mehr auf das Remis, wenn Magnus Carlsen, der jetzt wieder über eine Stunde lang nachdenken kann, nicht den womöglich größten Patzer seiner Karriere spielt. Was bleibt dem Herausforderer aber übrig, als darauf noch zu hoffen?

Carlsen spielt jetzt voll auf Nummer sicher und nimmt mit Dc3 die Punkte c1 und e1 raus, über die eventuell noch ein Dauerschach kommen könnte. Damit hat er nun auch 40 Züge gespielt, erreicht die Zeitkontrolle und bekommt eine komplette Stunde on top. Das sollte es jetzt in jeglicher Hinsicht gewesen sein.

Carlsen positioniert die Dame hinter dem zentralen Freibauern, womit er auch seinen Bauern auf b3 deckt. Dem Russen bleibt abermals nur der erneute Rückzug nach f2.

Carlsen spielt das ganz ruhig und vermeidet eine unnötige Verkomplizierung der Stellung. Jetzt könnte er sich auf h4 bedienen. Mit noch immer mehr als sieben Minuten auf der Uhr sollte die Partie in Kürze vorbei sein.

Der russische Herausforderer will weiterhin nicht aufgeben und geht mit der Dame nach f2 zurück. Solange Carlsen aber nicht komplett patzt, kann es nicht zum rettenden Dauerschach kommen.

Jan Nepomnjaschtschi holt sich den Bauern auf a2 ab, woraufhin Magnus Carlsen über das Schach auf e8 den b4-Bauern abholt.

Carlsen hat es nicht eilig und denkt nicht daran, hastig zu werden. Der Russe braucht weiterhin ein Wunder. Nach 33. b3 kann er zwar über Dg3 noch ein weiteres Schach geben. Dann geht es allerdings erneut nicht weiter.

Carlsen muss letztlich einfach nur auf ein mögliches Dauerschach aufpassen. Er nutzt deshalb seine Zeit, um alles genau zu prüfen, während Nepomnjaschtschi einmal mehr von der Bühne verschwunden ist.

Carlsen erlaubt Nepo sogar, noch ein Schach über e1 zu geben und den Bauern auf f2 einzusammeln. Am Ausgang der Partie dürfte das dennoch nichts mehr ändern. Der Weltmeister sammelt weitere Bauern ein und steuert dem Sieg sicher entgegen.

Magnus Carlsen zentralisiert seine Dame, während Jan Nepomnjaschtschi mal wieder nicht auf der Bühne ist. Würde der Russe jetzt sofort aufgeben, er müsste sich wahrlich nicht den Vorwurf gefallen lassen, zu früh die Waffen gestreckt zu haben. Die Lage ist aussichtslos.

Es kommt zum Abtausch der Läufer und Türme. Die Struktur des Russen, der überdies einen Bauern hintendran ist, ist eine absolute Katastrophe. Carlsen muss jetzt lediglich darauf aufpassen, dass sich nicht doch noch ein Hintertürchen für ein Dauerschach öffnet. Mit immer noch knapp 20 Minuten auf der Uhr sollte der Titelverteidiger hier allerdings rein gar nichts mehr anbrennen lassen. Vermutlich dürfte Nepo ihm in Bälde die Hand reichen.

Wieder bleibt Nepo lange im Ruheraum und wieder schüttelt er immer wieder mit dem Kopf, als er ans Brett zurückkehrt. Dann zieht er 25... Le6. Das sollte auf ein gewonnenes Damenendspiel für Carlsen hinauslaufen.

Carlsen investiert neun Minuten, um den saubersten Gewinnweg zu finden. Dann zieht er 25. Te4, um den Bauern auf h4 anzugreifen oder perspektivisch über f4 auf den anfälligen Punkt f7 zu zielen.

Der Russe aktiviert seinen Turm, muss aber inzwischen wirklich auf ein Wunder hoffen, um nicht in Kürze zur Aufgabe gezwungen zu sein. Laut gängiger Computer-Engines steht Carlsen bereits bei +3.8 bis +4.0. Einen so gravierenden Vorteil kann Carlsen unmöglich noch verspielen.

Carlsen stellt ganz cool seinen Läufer nach b3, wo die Figur weiterhin gegen den gegnerischen König zielt. Nepomnjaschtschi hat in dieser Stellung kaum sinnvolle Züge, mit denen er seine desolate Stellung verbessert.

Wieder bleibt Nepomnjaschtschi knapp neun Minuten lang im Ruheraum, um sich irgendwie noch einmal zu sammeln. Als er ans Brett zurückkommt, schüttelt er mit dem Kopf und spielt dann Dd8. Er hat den Bauern damit völlig kompensationslos verloren und muss sich sogar in die passivere Position begeben. Carlsen kann jetzt in aller Ruhe den bedrohten Läufer evakuieren und sich dann überlegen, wie er am effektivsten verwertet.

Der Titelverteidiger greift zu und steckt mit 23. Dxa7 den Mehrbauern ein. Jetzt hängt auch noch der Läufer auf d7. Möglicherweise bleibt dem Russen jetzt nur noch ein Harakiri-Manöver wie Lxh3, woraufhin Carlsen aber nicht schlagen müsste, sondern mit Te8+ vollends in die schwarze Stellung eindringen könnte. Schwer vorstellbar, dass der Norweger sich diese vorteilhafte Stellung noch aus der Hand nehmen lässt.

Jan Nepomnjaschtschi hat das Schachgebot des Weltmeisters aus dem Ruheraum heraus verfolgt und ist anschließend über acht Minuten hinten geblieben. Er weiß genau, wie sehr er jetzt mit dem Rücken zur Wand steht. Dennoch muss er irgendwie versuchen, das Remis zu retten. Zähneknirschend schiebt er den König nach g8.

Der Weltmeister schaut kurz rein, ob irgendwo vielleicht noch eine versteckte Ressource für Schwarz vorhanden ist, findet aber nichts. Es kommt 22. Da3+. Das ist jetzt extrem gefährlich für Nepo. Egal, wie der Russe antwortet, kann Carlsen fast immer auf a7 zugreifen. Nepomnjaschtschi ist um diese Stellung wirklich nicht zu beneiden. Es verdichten sich die Anzeichen, dass b5 ein handfester Fehler gewesen sein könnte, der den Herausforderer die zweite Schwarz-Partie in Folge kostet.

Der Russe setzt mit 21... b5 fort. Damit macht er am Damenflügel leichte Fortschritte und befragt den Läufer. Dennoch reagiert dieser Zug nicht auf Da3+, was ziemlich gefährlich für Schwarz aussieht.

Jan Nepomnjaschtschi schaut sich die Stellung knapp 15 Minuten lang an. Der Herausforderer findet nichts Besseres und schlägt den Bauern raus. Magnus Carlsen nimmt direkt mit dem Läufer zurück.

Magnus Carlsen greift jetzt im Zentrum an und spielt 20. c4. Wenn der Russe jetzt nimmt, muss der Weltmeister mit dem Läufer zurücknehmen. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als könnte der Turm dann über g6 ins Spiel gebracht werden, allerdings würde das dem Norweger wegen Da3+, Kg8 und Te7 entscheidenden Vorteil verschaffen. Insofern sieht es so aus, als habe Carlsen hier einen scharfen Zug entkorkt. Eine sinnvolle Alternative zum Schlagen des Bauern hat Nepo nämlich wohl nicht.

Möglicherweise wäre es ambitionierter für Carlsen gewesen, h4 zu spielen. Das bewertet wohl auch Nepomnjaschtschi so, denn der Herausforderer spielt jetzt selbst 19... h4, um den gegnerischen Bauern festzulegen.

Der Weltmeister setzt mit einem relativ ruhigen Zug fort und spielt 19. h3. Das schafft auch seinem König perspektivisch ein Luftloch, ist allerdings relativ langsam. Wirklich entfesseln kann Jan Nepomnjaschtschi sich allerdings nicht. Sein Turm auf h6 kommt durch den Läufer auf d3 nicht so wirklich raus.

Jan Nepomnjaschtschi bringt seinen Läufer über d7 zurück in die Partie. Das ist ein logischer Entwicklungszug.

Magnus Carlsen geht dem Damentausch aus dem Weg und weicht auf e3 aus. Obwohl er mit 10. De1+ völliges Tempo aus der Partie nahm, scheint der Norweger auf einmal doch noch gerne weiterspielen zu wollen.

Carlsen überlegt weitere zwölf Minuten und schlägt dann den Turm auf e8. Nepo nimmt sofort mit dem Läufer zurück, woraufhin der Weltmeister die e-Linie mit seinem zweiten Turm erneut besetzt. Der Russe zieht daraufhin seine Dame nach f6 und bietet den Abtausch der Damen an.

Sechs Minuten lässt sich Nepo Zeit, dann antwortet er mit 15... c6, um den Punkt d5 zu stützen.

Magnus Carlsen, der insgesamt schon fast 56 Minuten lang nachgedacht hat, zieht seine Dame nach g5. So wirklich droht er dort allerdings im Moment nichts.

Der Titelverteidiger zieht 14. Tae1. Anstatt zu tauschen, entwickelt der Russe hingegen seinen Turm nach h6.

Jan Nepomnjaschtschi entwickelt seinen Turm auf die offene Reihe. Der Weltmeister könnte jetzt allerdings gleich mit Tae1 oder Tfe1 einen weiteren Abtausch forcieren.

Immerhin bleiben die Damen auf dem Brett, wodurch die Partie noch nicht gänzlich in Richtung Remis abdriftet. Carlsen tauscht die schwarzfeldrigen Läufer ab und zieht seine Dame dann nach d2.

Carlsen zieht sehr schnell Lb4 und strebt die Vereinfachung der Partie mit einem Abtausch der Läufer an. Nepo erwidert sofort De7, wodurch die Damen jetzt doch noch vom Brett gehen könnten. Merkwürdig.

Jan Nepomnjaschtschi lehnt das versteckte Remis-Angebot ab, indem er nicht etwa De7 spielt, wodurch die Partie völlig abgeflacht wäre, sondern mit 10... Kf8 fortsetzt.

Magnus Carlsen investiert unfassbare 41 Minuten in seinen nächsten Zug und spielt dann mit 10. De1+ einen völlig ambitionslosen Zug. Das kommt fast schon einem versteckten Remis-Angebot gleich, wenn Nepo jetzt den offensichtlichen Zug De7 erwidert und die Damen vom Brett verschwinden.

9... h5 hat den Weltmeister sichtlich aus dem Konzept gebracht. Schon über 20 Minuten lang grübelt Magnus Carlsen und denkt über seine Fortsetzung nach. Neben dem offensichtlichen Schach über Te1, dem wohl Kf8 folgen dürfte, kommt auch Df3 oder ein radikaler Zentrumsvorstoß mit c5 in Betracht. Auch ruhige Züge wie a3 oder c3 wären denkbar.

Wow! Jan Nepomnjaschtschi will es offenkundig heute wissen und spielt nach fast 17 Minuten Nachdenken 9... h5. Das ist extrem ambitioniert, bereitet eventuell einen Angriff auf dem Königsflügel vor und nimmt der gegnerischen Dame das Feld h5. Nach Te1 dürfte der Russe überdies bereit dazu sein, Kf8 zu spielen.

Mit der Rochade ist über Zugumstellung jetzt doch wieder eine Theorie-Stellung auf dem Brett. Vielleicht hat der Weltmeister tatsächlich an einer kleinen Geheimwaffe gegen die Russische Verteidigung gearbeitet. Jan Nepomnjaschtschi scheint jedenfalls aus dem Buch zu sein und muss überlegen. Dh4 würde nicht nur eine Drohung aufstellen, sondern könnte auch die lange Rochade vorbereiten, durch die es heute richtig scharf werden könnte. Die etwas ruhigere Alternative wäre wohl Le6, um auch das mit Tempo drohende Schach über Te1 aus der Stellung zu nehmen.

Jan Nepomnjaschtschi überlegt drei Minuten und zieht dann 8... Ld6. Das gab es in der Form lediglich vor weit über 20 Jahren mal in einer U20-Weltmeisterschaft in einer Partie, die wohl kaum einer von beiden Spielern auf dem Schirm haben dürfte. Dementsprechend dürften beide Spieler in diesem Moment wohl aus der Theorie raus sein und wahrscheinlich auch keine tiefe Vorbereitung mehr zu haben.

Nepo nimmt den Springer auf d2 raus und Carlsen schlägt umgehend mit seinem Läufer zurück. Diese Stellung gab es zwar in der Form schon, allerdings noch nicht auf absolutem Topniveau.

Nach 7. Sd2 lässt die Antwort von Jan Nepomnjaschtschi erstmals etwas auf sich warten. Dabei ist auch das noch bekannte Theorie. Der Russe nimmt sich aber die Zeit, die Variante zu durchdenken.

Magnus Carlsen entscheidet sich für den modernen Angriff, indem er 3. d4 spielt. Jan Nepomnjaschtschi kennt das aber natürlich.

Wie bereits in der zweiten Partie des Weltmeisters kommt die Russische Verteidigung aufs Brett.

Nach der Marathonpartie am Freitag gingen beide Spieler es gestern sehr ruhig an und einigten sich bei der nahezu ersten Gelegenheit nach dem 40. Zug auf ein Remis. Gut möglich, dass Jan Nepomnjaschtschi, der noch sieben Spiele Zeit hat, um mit einem Sieg auszugleichen, heute mit Schwarz angreift. Der Russe gilt als Experte für Grünfeld-Indisch- und Najdorf-Systeme, die Schwarz große Gewinnchancen versprechen, allerdings wegen ihrer Schärfe auch als riskant und zweischneidig gelten. Umso spannender ist die Frage, ob der Herausforderer heute erstmals ins Risiko geht und eine scharfe Variante forciert. Die Antwort gibt es ab 13:30 Uhr im Liveticker.

Während in allen vier Weiß-Partien des Russen eine Anti-Marshall-Variante in der Spanischen Partie aufs Brett kam, was stets in einem vergleichsweise ruhigen Remis endete, ging es in den Weiß-Partien von Magnus Carlsen bislang heiß her. Auf eine Partie Katalanisch folgte im zweiten Weiß-Spiel des Weltmeisters die Russische Verteidigung, ehe das dritte Spiel früh die theoretischen Pfade verließ und in einer geradezu epischen Partie endete. Mit zwei Türmen und Springer gegen Dame und Läufer setzte sich der Weltmeister am Freitag im Rahmen der längsten WM-Partie aller Zeiten nach 136 Zügen gegen Jan Nepomnjaschtschi durch. Der Norweger führt damit nach sieben Partien mit 4,0 zu 3,0.

Herzlich willkommen zurück aus Dubai. Hier steigt heute im Dubai Exhibition Centre die achte Partie der Schach-WM 2021 zwischen Herausforderer Jan Nepomnjaschtschi und Titelverteidiger Magnus Carlsen. Los geht es um 13:30 Uhr.