Verlauf der entscheidenden 14. WM-Partie. Ding eröffnete mit Weiß 
 

Dommaraju Gukesh schlägt Ding Liren im 14. und alles entscheidenden Match der Schach-WM 2024 und gewinnt das Duell somit mit 7,5 zu 6,5. Er ist damit der jüngste Schachweltmeister in der Geschichte und der zweite indische Weltmeister nach Viswanathan Anand. Dabei ging das letzte Spiel durchaus herzzerreißend aus, denn eigentlich war Ding Liren, der mehrfach im Match eine unfassbare Resilienz unter Beweis stellte, in dieser Partie sogar am Drücker. Anstatt aber seinen Gegner langsam einzuschnüren und das Spiel so zu gestalten, dass nur auf ein Ergebnis gespielt wird, setzte er mit 14. b3 nicht giftig genug fort und ermöglichte seinem Herausforderer, seine schlecht koordinierten Figuren harmonisch aufzustellen. Mit aller Macht wollte der 32-Jährige anschließend das Remis herbeiführen und opferte dafür sogar einen Bauern, um die Damen vom Brett verschwinden zu lassen, ehe er in einer Stellung mit einem gegen zwei Bauern, die theoretisch völlig ausgeglichen und für Schwarz nicht gewinnbar war, zu voreilig einen folgenschweren Patzer spielte, der die Partie und damit die gesamte Schach-WM 2024 einstellte: Nach 55. Tf2?? konnte Gukesh D alle Leichtfiguren abtauschen, wodurch eine nicht mehr zu verteidigende Theorie-Stellung entstand. Die Glückwünsche gehen somit nach Indien und wir bedanken uns für das Interesse an unseren Livetickern zu diesem spannenden Wettbewerb in Singapur, der somit sein Ende findet.

Dommaraju Gukesh findet die Kombination, wippt aufgeregt hin und her, nimmt noch einmal einen tiefen Schluck aus seiner Flasche und wickelt anschließend auf genau diese Art und Weise ab. Beide Spieler wissen, dass die Partie um ist. Nachdem er sich noch Augenblicke lang am Brett quält, gibt Ding Liren schließlich auf. Wahnsinn! Gukesh D ist der 18. Schachweltmeister der Geschichte - und der jüngste aller Zeiten!

Sensation! Ding Liren bietet mit Tf2 erneut den Abtausch der Türme an, der nun die Partie einstellt und seinen indischen Gegner zum jüngsten Weltmeister der Geschichte macht, wenn er nun den Zug 55... Txf2 findet. Anschließend kann der Inder mit Ld5 die weißfeldrigen Läufer vom Brett tauschen und den Mehrbauern verwerten.

Der Läufer des Weltmeisters findet in der Ecke des Bretts Zuflucht, woraufhin Gukesh sich erneut mit seinem König zeigt, der dieses Mal aber vom Läufer vor einem Schach geschützt wird.

Die Spieler lavieren mit ihren Türmen weiter über das Brett. Gukesh D kann, wenn Ding Liren seine Zeit im Griff behält und einfach die Füße still hält, eigentlich keine Fortschritte erzielen.

Der stille Zug 51... Le6 verändert zwar nicht übermäßig viel, zwingt Ding Liren aber schon wieder dazu, mehr als vier Minuten seiner Zeit zu investieren. Das ist vermutlich auch die einzige Chance des Inders: Schnelle Züge ausführen, kleine Brötchen backen und darauf warten, bis dem chinesischen Großmeister die Zeit ausgeht und er unter Zeitdruck vielleicht doch noch den entscheidenden Fehler macht. Immerhin steht hier so dermaßen viel auf dem Spiel.

Gukesh D sperrt den weißen König auf der Grundreihe ein und will anschließend mit seinem König Fortschritte erzielen. Das ist aber nicht so ohne Weiteres möglich. Nach dem Schachgebot muss der König nach g5 zurück.

Es tauscht sich ein weiterer Bauer ab. Ding Liren hat nun erreicht, dass sein letzter Bauer auf einem schwarzen Feld steht und er mit dem Turm auf der vierten Reihe den schwarzen Vorstoß f4 kontrolliert. Weiterhin ist die Stellung trotz Minusbauer völlig remis. Dommaraju Gukesh kann es dennoch weiterhin versuchen, zumal der Titelverteidiger inzwischen wieder unter 20 Minuten Restbedenkzeit gerutscht ist und der 18-Jährige noch mehr als eine Stunde hat. Aber: Pro ausgeführtem Zug gibt es 30 Sekunden extra und Ding Liren kann fürs Erste recht bequem mit dem Turm auf der vierten Reihe hin- und herziehen

Nach Lb7 und Kg5 versucht der Weltmeister, mit 45. f3 weitere Bauern vom Brett zu nehmen und die Stellung weiter zu vereinfachen.

Ding Liren greift mit seinem bedrohten Läufer den Turm des Inders an, der auf d6 ein neues Feld findet.

Während Ding Liren weiter hin- und herzieht, erzielt Gukesh D mit 42... g4 weitere Fortschritte. Objektiv ist die Stellung allerdings weiterhin remis.

Gukesh stellt seinen Turm besser, indem er ihn auf die sechste Reihe zieht.

Der Weltmeister ist zurück und hält mit 41. Kg1 weiterhin die Füße still. Ab jetzt gibt es auch stets 30 Sekunden Inkrement pro ausgeführtem Zug.

Der Herausforderer nutzt die Chance, um rasch 40... Kh6 zu ziehen und das Brett ebenfalls zu verlassen. Somit läuft nun die Zeit des Weltmeisters runter, während beide Spieler eine Pause machen. Theoretisch kann Gukesh diese Stellung ohne Risiko noch ewig weiterspielen. Ding Liren muss sich somit durchaus darauf einstellen, dass er noch zwei oder sogar drei Stunden am Brett sitzen muss.

Gukesh D greift den gegnerischen Läufer an, den Ding Liren nach f3 zieht. Er hat damit die Zeitkontrolle erreicht und bekommt frische 30 Minuten zu seinem Zeitkonto. Er nutzt die Chance auch direkt, um in den Ruhebereich zu gehen und sich für den Rest der Partie zu erfrischen.

Ding Liren bleibt weiter passiv und vollzieht mit Ta4 den nächsten abwartenden Zug.

Der Inder setzt jetzt den h-Bauern in Bewegung.

Ding Liren hält mit 38. Tb4 weiterhin die Füße still und hat noch zehn Minuten und sechs Sekunden, wodurch er auch die 40 Züge unbeschadet erreichen sollte.

Gukesh investiert einiges von seiner großzügigen Restzeit und geht dem Turm-Tausch dann, wie erwartet, aus dem Weg.

Ding Liren bietet mit Tc4 den nächsten Abtausch an. Bei gleichfarbigen Läufern wäre ein Mehrbauer grundsätzlich aber schon leichter zu verwerten, als wenn die Türme auf dem Brett blieben, obschon diese Konstellation mit der Drei-gegen-Zwei-Mehrheit für den Chinesen noch echt einfach verteidigt werden könnte, weshalb Gukesh D vermutlich auch diesem Abtausch aus dem Weg gehen wird.

Der Titelverteidiger greift mit 35. Tc7 den f-Bauern an, den Dommaraju Gukesh umgehend mit Lg6 deckt.

Der junge Inder weicht mit Kg7 schon einmal einem Schachgebot auf der Grundreihe aus.

Der Chinese muss seinen Turm aktivieren, der nun auf c1 ein neues Feld findet.

Ding Liren bietet erwartungsgemäß mit 33. Ld5 den Abtausch der weißfeldrigen Läufer an. Gukesh D geht dem aber aus dem Weg, indem er seinen Läufer nach f5 stellt.

Dommaraju Gukesh setzt mit 32... g5 fort und lässt seine Bauern erst einmal laufen.

Jetzt verschwinden auch noch die Türme vom Brett. Der kleine Trumpf des Inders besteht allerdings darin, dass es kein reines Turm-Endspiel ist, sondern die weißfeldrigen Läufer noch mitmischen. Der Chinese dürfte somit vermutlich mit einem Zug wie Ld5 nun eben jenen Abtausch der Läufer anstreben. Möglicherweise könnte Gukesh sich mit Tb5 schon einmal präventiv dagegen aufstellen.

Der 18-jährige Herausforderer nimmt das Angebot nun an, schlägt den b-Bauern und lässt damit zu, dass die Damen vom Brett verschwinden. Mit 31. Ta8 bietet Ding Liren anschließend auch noch den Abtausch des ersten Turms an.

Ding Liren insistiert mit 29. b4 nun fast schon darauf, dass Gukesh D sich diesen Bauern nun schnappt und er anschließend mit Dxb4 und Txb4 die Damen vom Brett tauschen kann.

Dommaraju Gukesh zeigt einmal mehr in diesem WM-Kampf keinerlei Interesse daran, eine objektiv ausgeglichene Stellung zu vereinfachen und in remisliche Fahrwasser abdriften zu lassen. Der Inder, der noch mehr als doppelt so viel Zeit wie der Weltmeister auf der Uhr hat, möchte weiterspielen und geht dem Abtausch mit 28... Db5 aus dem Weg.

Ding Liren bietet nun auch noch den Abtausch der Damen an. Das ist im Endeffekt schon das stille Remis-Angebot.

Gukesh D holt sich den Bauern en passant, den der Weltmeister anschließend mit dem Turm zurück schlägt. Daraufhin schafft der 18-jährige Herausforderer seinem König erst einmal ein Luftloch mit g6 und bereitet damit auch vor, seine Bauern am Königsflügel laufen zu lassen.

Ding Liren scheint scheinbar zu glauben, dass er seinen Bauern auf a2 langfristig nicht halten kann, weshalb er mit dem Vorstoß 26. a4 zulässt, dass die Figur en passant geschlagen wird und der Inder sich anschließend gegen den b-Bauern aufstellen kann. Dann würde er, genau wie gestern, mit einer Minorität am Königsflügel auf das Remis steuern können.

Ding Liren denkt knapp zehn Minuten nach und evakuiert seinen Läufer dann nach f3, woraufhin Gukesh erst seinen Bauern auf f4 abtauscht und anschließend den b-Bauern weiter nach vorne zieht. Die Stellung hat jetzt eine unglaublich hohe Remis-Tendenz. Viel spricht dafür, dass die Weltmeisterschaft morgen in den Tiebreaks entschieden wird.

Ding Liren zieht seinen Turm von der f-Linie mit Tempo ins Zentrum, woraufhin Dommaraju Gukesh seine angegriffene Dame nach b6 stellt.

Der Herausforderer tauscht erwartungsgemäß die schwarzfeldrigen Läufer ab und zieht seinen angegriffenen Turm dann nach b8, womit er auch direkt den Bauern auf b5 deckt. Objektiv hat Ding Liren keinerlei Vorteil erzielt und nicht wirklich Argumente, wie er hier auf Sieg spielen könnte.

Der junge Inder nimmt den Springer auf f4 raus, woraufhin sich der Titelverteidiger den Springer auf c6 schnappt. Vermutlich kommt es nun auch noch zum Abtausch der schwarzfeldrigen Läufer. Wirkliche Probleme hätte der 18-Jährige dann nicht mehr in der Stellung, die schlagartig womöglich sogar angenehmer aus Sicht der schwarzen Seite spielbar wäre, obschon sie objektiv auf ein Remis steuert.

Ding Liren versucht es mit taktischen Mitteln. Nachdem Gukesh erst einmal den Bauern schlägt, zieht er seinen doppelt angegriffenen Springer nach f4. Auf exf4 würde nun Lxc6 folgen.

Der Weltmeister schaut zehn Minuten in die Stellung und setzt mit 19. cxb5 fort. Gukesh könnte nun den Springer auf d5 schlagen, worauf Ding Liren dann aber auch den Springer auf c5 nehmen könnte.

Gukesh D nimmt nicht etwa auf b2 raus oder schlägt den Springer, sondern attackiert mit 18... b5 die weiße Bauernkette am Damenflügel. Ein prinzipiell guter Versuch.

Der Vorposten auf d5 sieht einfach zu verlockend aus, weshalb Ding Liren nicht lange fackelt und seinen Springer dort nun platziert.

Gukesh nutzt auch direkt die Chance, um seinen Läufer ins Spiel zu bringen, der auf e6 landet. Das ermöglicht es dem Weltmeister nun allerdings auch, den Springer nach d5 zu stellen, was sehr stark aussieht.

Ding Liren komplettiert mit dem nützlichen Zug 17. Dd2 nun seine Entwicklung. Der Zug verbindet nicht nur die Türme, sondern deckt auch gleichzeitig noch den schwarzfeldrigen Läufer auf b2.

Ding Liren entschließt sich abermals dafür, die Damen nicht zu tauschen, und setzt rasch mit dem Rückzug Sc3 fort, auf den mehrere schnell ausgeführte Züge folgen. Der Inder führt seinen schwarzfeldrigen Läufer in die Mitte des Bretts zurück, deckt diesen nun auch mit e5 und macht Platz für seinen noch nicht entwickelten weißfeldrigen Läufer.

Gukesh D lässt sich etwas Zeit, nutzt dann aber die Chance, um mit 14... a6 den Springer auf b5 zu befragen.

Ding Liren verfolgt nicht den offensichtlichen Plan, nimmt aber auch nicht die Damen vom Brett. Stattdessen setzt er mit noch 66:46 Minuten Restzeit mit 14. b3 fort.

Dommaraju Gukesh will seinen Läufer behalten und setzt mit Lb6 fort. Das sieht sehr riskant aus, denn wenn jetzt De2 mit der Idee Td1 kommt, steht Ding Liren bereits richtig gut, während die schwarzen Figuren sehr schlecht koordiniert sind. Insbesondere der weißfeldrige Läufer hat dann zudem wenig Perspektive und wird zum Sorgenkind.

Der 18-jährige Inder, der mit einem Sieg heute theoretisch zum jüngsten Schachweltmeister aller Zeiten werden könnte, muss nun prinzipielle und weitreichende Entscheidungen treffen. Zieht er seinen Läufer aus dem Schussfeld und lässt damit zu, dass nach beispielsweise De2 der Turm mit Tempo nach d1 kommt? Oder deckt er den Läufer mit e5 und lässt den Abtausch zu, nach dem er zwar einen Isolani hat, jedoch seinen weißfeldrigen Läufer ins Spiel bringen kann? Schon über zehn Minuten lang lässt der nächste Zug auf sich warten.

Dommaraju Gukesh entscheidet sich gegen das Schlagen auf c3 und rochiert stattdessen kurz, woraufhin Ding Liren seinen Springer erneut zieht und auf b5 aufstellt, wo er den schwarzfeldrigen Läufer angreift.

Mit 77:47 Minuten Restbedenkzeit setzt Ding Liren nun mit 12. Sc3 fort. Das gibt seinem Herausforderer nun die Möglichkeit, mit Lxc3 die Bauernstruktur des Weltmeisters am Damenflügel zu zerstören, was allerdings das Läuferpaar kostet.

Nach fast 20 Minuten des Zögerns führt der Chinese nun den logischen Zug 11. exd4 aus und verlässt dann die Bühne, um sich in den Ruhebereich zurückzuziehen und neu zu sammeln. Gukesh D antwortet dennoch direkt, indem er den Bauern mit seinem Läufer nimmt.

Eigentlich ist 11. exd4 die völlig logische Fortsetzung. Umso unverständlicher ist der Umstand, dass Ding Liren schon über zehn Minuten lang nachdenkt und diesen Zug nicht längst ausgeführt hat. Welche Alternativen zieht er in Erwägung?

Der 18-jährige Inder hat seine Entscheidung getroffen und setzt mit 10... Lc5 fort, womit das 14. Spiel der Schach-WM 2024 erstmals eine einzigartige Stellung erreicht.

Ding Liren entscheidet sich für den Rückzug seiner Dame nach d1, woraufhin sein indischer Herausforderer den d-Bauern laufen lässt. Der Chinese beantwortet das direkt mit 10. e3. Genau diese Stellung gab es im Mai 2023 schon zwischen IM Gediminas Šarakauskas und IM Jonah B Willow, der mit Schwarz mit e5 fortsetzte. Ob Dommaraju Gukesh auch diese Stellung im Vorfeld analysiert hat? In jedem Fall kommt die direkte Antwort nicht aufs Brett, was für Ding Liren, der bereits mehr als 20 Minuten verbraucht hat, erst einmal eine gute Nachricht ist.

Der Weltmeister entscheidet sich nach fast einer Viertelstunde des Nachdenkens für die Fortsetzung mit 7. c4, nach der Gukesh D sofort im Zentrum schlägt. Ding Liren nimmt zurück, woraufhin der Inder zu 8... Sc6 mit Tempo kommt. Die Dame des Titelverteidigers ist angegriffen, der nun abermals einiges an Zeit investieren muss, um das bestmögliche Feld für seine Dame zu finden. Mit Df4, De3, Dd3, Dd2 und Dd1 müssen hier fünf Kandidatenzüge gegeneinander abgewogen werden.

Einmal mehr muss nun Ding Liren Zeit aufwenden, um sich am Brett zu überlegen, wie er die Stellung behandelt, auf die er offenkundig nicht vorbereitet ist, die sein Gegner aber womöglich tief analysiert haben wird. Bislang wurden in den wenigen Vorgängerpartien nur zwei verschiedene Züge gespielt: In zwei Drittel aller Fälle kam 7. c4, im verbleibenden Drittel wurde 7. Sb3 gezogen. Züge, die der Weltmeister gerade sicherlich berechnet. Schon etwas mehr als sechs Minuten denkt er nach.

Wow! Offenkundig ist das Zögern von Dommaraju Gukesh nicht etwa darauf zurückzuführen, dass er überrascht ist. Vielmehr wird der 18-Jährige im Kopf noch einmal die mit seinem Team vorbereiteten Varianten durchgegangen sein, um nichts zu verwechseln. Anders ist nicht zu erklären, dass er nach den logischen Fortsetzungen erst auf d4 rausnimmt und dann den extrem seltenen Zug 6... Sge7 aufs Brett blitzt. Das muss vorbereitet gewesen sein, denn in nur ein Prozent aller Partien in dieser Stellung wurde dieser Zug bislang gezogen. Mit Lc5, Db6, Sf6 und Sxd4 gibt es gleich vier häufiger gespielte Züge. Damit ist tatsächlich auch heute wieder Ding Liren derjenige Spieler, der schnurstracks in die Vorbereitung seines Gegners hineingelaufen ist. Unglaublich!

Dommaraju Gukesh sammelt sich nach zwei Minuten und setzt dann mit einem sehr natürlichen Aufbau fort. Mit 4. d4 geht Ding Liren dann in eine umgekehrte Grünfeld-Indische Variante hinein.

Gukesh D antwortet schnell mit dem standardmäßigen Zug 1... d5, woraufhin Ding Liren mit 2. g3 weiterhin extrem flexibel bleibt. Damit hat der junge Inder offenkundig nicht gerechnet, denn der bislang stets gut vorbereitete Herausforderer, der teilweise sogar mehr als zehn Züge in einer Minute spielte in der Eröffnung, zögert nun.

Das Brett ist freigegeben und Ding Liren startet mit dem sehr flexiblen Zug 1. Sf3, mit dem er nun in zahlreiche verschiedene Systeme überleiten kann.

Bislang hielt Ding Liren in seinen Weiß-Partien die Stellung überwiegend ruhig und strebte ein schnelles Remis an. Die einzige Ausnahme war Partie zwölf, in der er seinen Rückstand ausgleichen und ambitionierter spielen musste. Da er mit einem Remis heute den Tiebreak erzwingen kann, der ihm großen Vorteil verspricht, liegt die Vermutung nahe, er könne vielleicht heute erneut keine großen Ambitionen hegen. Dem schob der Titelverteidiger aber gestern im Interview den Riegel vor. „Ich glaube nicht, dass ihr morgen ein schnelles Remis sehen werdet.“, sagte er bei Mike Klein am Mikrofon. Das macht die Frage umso spannender, was der Chinese sich heute für die Eröffnung ausgedacht hat. Zuletzt wurde er auch in seinen Weiß-Partien schließlich regelmäßig vom stets hervorragend vorbereiteten Dommaraju Gukesh überrascht.

Dommaraju Gukesh probierte gestern in seiner letzten Weiß-Partie noch einmal alles. Letztlich war es aber das gewohnte Bild bei der Schach-WM 2024: Der 18-Jährige überraschte Ding Liren in der Eröffnung früh mit einer interessanten Idee, woraufhin er sich neben einem Zeitvorteil auch eine vorteilhafte Stellung erarbeitete. Der Chinese verteidigte sich jedoch extrem resilient, fand immer wieder die einzigen Züge, die die Stellung im Gleichgewicht hielten, und rettete sich nach einem über fünf Stunden langen Schlagabtausch ins Remis. Sollte es mit der Titelverteidigung tatsächlich klappen, ist seine Fähigkeit, sich immer wieder aus schwierigen Situationen zu befreien, hierfür sicherlich als entscheidender Faktor auszumachen. Noch kann aber auch Gukesh D zur Stelle sein, falls der 32-Jährige heute wackeln sollte.

Dass es nach 13 Partien 6,5 zu 6,5 stehen würde und Titelverteidiger Ding Liren im letzten Match mit Weiß noch etwas würde versuchen können, hatte im Vorfeld der Schach-WM 2024 sicherlich kaum jemand erwartet. Immerhin war der Chinese nach dem Gewinn des WM-Titels fast ein Jahr lang völlig von der Bildfläche verschwunden, ehe er bei seinem Comeback in 2024 sehr durchwachsene Leistungen ablieferte, weshalb er als Außenseiter in den WM-Kampf ging. Tatsächlich ist er nun aber der Favorit. Sollte heute nämlich keine Entscheidung fallen, ginge es morgen in die Tiebreaks – und bei kürzeren Bedenkzeiten gilt Ding Liren als der deutlich versiertere Spieler als Dommaraju Gukesh.

Willkommen zurück aus Singapur! Hier findet heute die 14. und letzte Partie der Schach-WM 2024 zwischen Ding Liren und Dommaraju Gukesh statt. Nach 13 Spielen steht es 6,5 zu 6,5. Um 10:00 Uhr geht es los.