Dommaraju Gukesh gewinnt sein erstes Spiel im Rahmen der Schach-WM 2024 und gleicht damit auf 1,5 zu 1,5 aus. Der Inder präsentierte sich heute sehr gut vorbereitet und erwischte Ding Liren mit seiner Eröffnungswahl auf dem falschen Fuß, wodurch der Weltmeister frühzeitig viel Zeit investieren musste. Gukesh büßte seine Initiative zwar mit 15. g5 zwischenzeitlich ein, Ding Liren ließ aber wiederum mit 18... Th5 eine Sequenz zu, in der er seinen weißfeldrigen Läufer gegen zwei Bauern geben musste. Ab dann musste der junge Inder in einer Gewinnstellung gegen einen stark unter Zeitdruck stehenden Ding Liren nur noch seine Technik unter Beweis stellen. Auch durch den Druck auf der Uhr brach der Titelverteidiger dabei bemerkenswert schnell zusammen und lief am Ende sogar noch in eine Taktik, anstatt sich zumindest so zäh wie möglich bis zum Schluss zu verteidigen. Für das Selbstvertrauen dürfte das so ziemlich das schlechteste Szenario sein, mit dem es nun in den Ruhetag geht. Dennoch: Beim Stand von 1,5 zu 1,5 ist hier natürlich noch alles offen.

Jetzt überschlagen sich die Ereignisse. Gukesh D bietet mit 35. Th1 den Turm-Tausch an, dem Ding Liren aus dem Weg geht, indem er den Bauern auf g5 schlägt. Das vereinfacht die Situation für den Inder, der sofort Lh3 zieht, woraufhin sich der Weltmeister mit f5 einen Fehler leistet. Gukesh befragt den Turm auf g5 mit Lf4, woraufhin der Chinese noch das Zwischenschach auf e4 geben sollte, nach dem dann aber beide Türme hängen würden. Bei der Erkenntnis, dass f5 ein Fehler ist, der die Stellung für den indischen Herausforderer noch einfacher macht, läuft dem 32-Jährigen zu allem Überfluss auch noch die Uhr ab. Gleichzeitig mit Th5 erscheint auf seiner Uhr die Flagge. Der Titelverteidiger verliert somit auf Zeit.

Ding Liren hat Druck auf der Uhr und muss entsprechend schnell erwidern, weshalb diese Sequenz schnell aufs Brett kommt. Um den Abtausch eines Turms zu verhindern, stellt der Weltmeister mit Ld4 seinen Läufer dazwischen.

Gukesh D greift nun mit Lg3 den gegnerischen Turm an, den der Weltmeister sofort nach h5 stellt.

Dem Weltmeister läuft zunehmend die Zeit davon. Mit gerade einmal 1:50 Minuten auf der Uhr setzt er nun mit 31... Ke8 fort und wartet weiter ab. Es gibt bis einschließlich zum 40. Zug kein Inkrement mehr und er muss noch weitere neun Züge ausführen.

Der 18-jährige Herausforderer backt weiterhin sehr kleine Brötchen und stellt seinen Turm auf die offene d-Linie. 18:34 Minuten hat er noch bis zur ersten Zeitkontrolle.

Das Belauern geht weiter. Ding Liren zieht seinen König nach e7.

Dommaraju Gukesh schaut über zehn Minuten rein, entscheidet sich mit 30. Tcc1 dann aber für den nächsten langsamen Abwartezug.

Ding Liren hat nur noch acht Minuten und 21 Sekunden für elf weitere Züge, als er mit Td7 einen weiteren sehr ruhigen Zug ausführt. Beide Spieler schieben sich gerade ein Stück weit gegenseitig die Initiative zu.

Der junge Inder hat es ebenfalls nicht eilig und will allem Anschein nach die Uhr seines Gegners weiter laufen lassen. Auch 29. b3 ist letztlich nur ein nützlicher Abwartezug, mit dem er perspektivisch dem gegnerischen Springer das Feld c4 nimmt, womit er seinen Turm nun von der c-Linie wegbewegen könnte.

Für Ding Liren ist guter Rat inzwischen teuer, allerdings hat er auch einfach nicht mehr genug Zeit, um nach konkreten Plänen Ausschau zu halten, weshalb er sich mit 28... a6 für einen Abwartezug entscheidet, mit dem er seinen Herausforderer ein Stück weit fragt, ob und welche Figuren er abtauschen möchte.

Dommaraju Gukesh hat nicht etwa Sf3 im Sinn, sondern zieht den interessanten Zug Lg2. Der Herausforderer ist am Drücker und hat noch eine komfortable Zeit von 40:07 Minuten.

Ding Liren setzt mit nur noch 13:47 Minuten auf der Uhr dennoch mit 27... Th2 fort.

Der Inder findet den vorgeschlagenen Zug 27. Ke2, mit dem er weiterhin in vorteilhafter Stellung verbleibt. Für Ding Liren ist es gar nicht mal so leicht, den Druck aufrechtzuerhalten. Th2 würde beispielsweise schnurstracks in Sf3 hineinlaufen, woraufhin Ding Liren wohl den Springer-Tausch eingehen müsste, der die Stellung für Gukesh D vereinfachen würde.

Die Option, den Turm nicht per langer Rochade, sondern über 26... Td8 nach d8 zu überführen und den Springer auf d4 zu fesseln, funktioniert natürlich auch. Gukesh D sollte nun den König umgehend aus der Fesselung befreien, wofür sich das soeben frei gewordene Feld e2 anbietet.

Gukesh D muss sich ganz praktisch gegen die drohende Springer-Gabel verteidigen und überdeckt das Feld f3 mit 26. Sd4. Den König nach e3 zu stellen, wäre womöglich etwas präziser gewesen. Die Chance von Ding Liren, die Partie remis zu halten, besteht darin, die nicht allzu gute Koordination der weißen Figuren auszunutzen. Beispielsweise über die lange Rochade, die den Springer auf d4 fesselt, oder einen Zug wie Th2.

Ding Liren spielt jetzt schnell, was er mit nur noch 18:42 Minuten auf der Uhr auch muss, und zentralisiert seinen Springer.

Der 18-Jährige entscheidet sich für 25. Kxd2, was objektiv auch die präzisere Fortsetzung zu sein scheint. Der Weltmeister, bei dem auch die Zeit knapp geworden ist, steht jetzt gehörig unter Druck.

Ding Liren verliert tatsächlich seinen weißfeldrigen Läufer und tauscht anschließend noch einen Springer vom Brett. Im Endeffekt muss Dommaraju Gukesh seinen Vorteil nun nur noch verwerten, was auf diesem Niveau kein Hexenwerk sein dürfte. Präzise Züge muss er allerdings noch finden, weshalb er überlegt, ob er mit dem König oder mit dem Turm auf d2 schlägt.

Der indische Herausforderer findet 23. Se2 und hat damit jetzt eine vorteilhafte Stellung auf dem Brett. Ein schnelles Remis bekommen wir heute somit schon einmal nicht, zumal Ding Liren nur noch 20 Minuten Zeit auf der Uhr hat, um die Niederlage abzuwenden.

Es kommt doch leicht anders, denn Ding Liren beantwortet Lf2 nicht etwa mit Lc5, sondern mit Lg7, was noch wackliger aussieht, da Gukesh D nun die Antwort Se2 hat. Zwar hätte der Chinese dann noch Sxb3, nach Txc2 bekommt er jedoch nur zwei Bauern für die Leichtfigur. Das ist zu wenig.

Der Inder entscheidet sich für den sehr konkreten Zug 21. Tc1, mit dem er nun Scd4 erzwingen dürfte. Wir sollten also die eben vorgeschlagene Sequenz aufs Brett bekommen, bei der nach Lf2 Lc5 nun das Schlagen des Springers auf d4 mit Lxd4 beantwortet werden könnte, woraufhin dann der Turm auf g1 hängen würde.

Jetzt ist auch bei Dommaraju Gukesh die Stunden-Anzeige auf der Uhr verschwunden. Der Herausforderer ist unter die Ein-Stunden-Marke gerutscht und denkt schon über zehn Minuten lang über seinen nächsten Zug nach.

Ding Liren nimmt im Zentrum raus und entwickelt seinen Springer anschließend von g7 nach e6. Seine Idee besteht offenkundig darin, nach Tc1 den Läufer mit Sxd4 zu decken und Lf2 dann mit Lc5 zu beantworten. Scheint so, als würde das die Stellung gerade noch so zusammen halten.

Der 18-Jährige entscheidet sich für den konsequenten Vorstoß seines e-Bauern, um damit perspektivisch im nächsten Zug den weißfeldrigen Läufer des Weltmeisters mit Tc1 zu fangen. Jetzt ist es an Ding Liren, die Idee hinter Th5 zu zeigen.

Dommaraju Gukesh rechnet schon zehn Minuten lang. Sicherlich ist e4, was auch von gängigen Schach-Engines als kritischer Versuch ausgegeben wird, sein oberster Kandidatenzug. Er kann sich die Zeit allerdings auch nehmen. Noch immer hat er 73 Minuten auf der Uhr.

Ding Liren - inzwischen nur noch mit 27:13 Minuten auf der Uhr - setzt jetzt mit 18... Th5 fort, was extrem gefährlich aussieht, da der indische Herausforderer nun vermutlich e4 spielen könnte. Nach dxe4 und fxe4 hätte der weißfeldrige Läufer des Weltmeisters schon keine Felder mehr. Beide Spieler lassen in dieser Phase der Partie ein Stück weit die Präzision vermissen.

Ding Liren entscheidet sich für die natürliche Umgruppierung seines Springers. Durch den Abzug ist auch der schwarzfeldrige Läufer des Inders durch den Turm auf h8 angegriffen. Gukesh D zieht die Figur umgehend nach g3.

Jetzt schaut der Titelverteidiger abermals tiefer in die Stellung. Schon über zehn Minuten sind seit dem letzten Zug von Dommaraju Gukesh vergangen. Ding Liren ist damit bei weniger als 40 Minuten Restbedenkzeit angelangt.

Der Herausforderer setzt mit 17. f3 fort. Das würde es Ding Liren nun ermöglichen, mit Tempo seinen Springer über g7 auf das deutlich bessere Feld f5 zu entwickeln. Es ist nicht ganz klar, worauf Gukesh D damit hinaus möchte. Den weißfeldrigen Läufer des Weltmeisters kann er nicht so ohne Weiteres fangen, falls das die dahinter stehende Idee ist.

Der 32-jährige Chinese beantwortet den Versuch von Gukesh D mit 16... Th8 und zieht seinen Turm zurück auf die offene Linie. 49 Minuten hat er noch auf der Uhr. Ein Inkrement gibt es übrigens erst ab dem 41. Zug.

Ding Liren muss nicht lange darüber nachdenken, wie er auf g5 reagiert und zieht seinen Springer auf das logische Feld h5, woraufhin Gukesh D umgehend mit 16. Lh2 antwortet. Nun ist es wieder am Weltmeister, ein paar Minuten zu investieren, um sich zu überlegen, wie er darauf antwortet. Einige der Probleme in der Stellung scheinen jetzt allerdings gelöst zu sein.

Anstatt den logischen 15. Tc1 zu spielen, zieht Dommaraju Gukesh nun den etwas fragwürdigen Zug g5, was dem Springer das Feld h5 gibt, der damit sogar den schwarzfeldrigen Läufer des Inders angreift. Das sieht in vielerlei Hinsicht nicht richtig aus.

Auch Dommaraju Gukesh schaut nun zunehmend lange in die Stellung hinein. Für seine Erwiderung lässt er sich erneut schon über zehn Minuten lang Zeit. Noch etwas mehr als 90 Minuten hat er auf der Uhr.

Gukesh D entscheidet sich jetzt dafür, schon mal direkt den Bauern auf b3 zu decken und mit Sd2 den Zug Tc1 vorzubereiten. Sehr schnell antwortet Ding Liren daraufhin mit Tg8.

Interessant ist, dass Dommaraju Gukesh jetzt schon mehr als fünf Minuten lang nachdenkt. Eigentlich dürfte er nicht aus seiner Vorbereitung raus sein, denn Sbd7 wird von den gängigen Schach-Engines als einer der besten Züge ausgegeben, weshalb der junge Inder diese Variante garantiert analysiert haben dürfte. Trotzdem zögert der 18-Jährige jetzt.

Der Weltmeister hat seine Wahl nach 33-minütiger Bedenkzeit getroffen und setzt auf die Entwicklung seiner Figuren. 13... Sbd7 erzielt zwar wichtige Fortschritte, lässt nun allerdings zu, dass Gukesh D mit Tc1 eben jener Lb3 erzwungen wird, der dann mit Sd2 beantwortet werden kann, woraufhin der Inder das Läuferpaar erobert und eine insgesamt angenehm offene Stellung für das Spiel mit seinen beiden Läufern bekommt. Zudem scheint das Bauernopfer auch nur temporärer Natur zu sein, da der Chinese die Figur in den meisten Varianten rasch wieder zurückgeben muss.

Seit inzwischen über 30 Minuten denkt Ding Liren nun schon über seinen nächsten Zug nach. Damit hat er schon jetzt über eine Stunde weniger Bedenkzeit zur Verfügung als Dommaraju Gukesh, für den die Situation nun äußerst komfortabel ist. Objektiv ist die Stellung zwar ausgeglichen, der Chinese muss sich allerdings um einige praktische Probleme in der Stellung kümmern, die seinen weißfeldrigen Läufer betreffen, der auf c2 ein Stück weit ins Abseits geraten ist.

Ding Liren denkt erneut schon eine Viertelstunde lang nach und ist damit bei weniger als 75 Minuten Restbedenkzeit angelangt. Gukesh D, der nach wie vor in seiner Vorbereitung sein dürfte, hat hingegen noch 116 seiner 120 Minuten auf der Uhr.

Ding Liren nimmt nun den g-Bauern raus, was Gukesh D ebenfalls sofort beantwortet. Die Partie folgt damit immer noch der angesprochenen Begegnung zwischen Kramnik und Erigaisi. Damals setzte Erigaisi mit Lxb3 fort, was objektiv allerdings kein guter Zug ist. Gängige Schach-Engines schlagen vielmehr Fortsetzungen wie Sbd7, Se4, Le7 oder sogar Th7 oder Tg8 vor. Sollte also Ding Liren dem Nehmen auf b3 widerstehen, dürften wir gleich eine neue Stellung auf dem Brett haben. Umso spannender ist die Frage, wie tief der Inder nach wie vor in seiner Vorbereitung ist.

Ding Liren lässt erwartungsgemäß die Finger von b3 und greift mit h5 direkt den gegnerischen g-Bauern an. Ohne weitere Zeit des Nachdenkens antwortet Gukesh D sofort mit Tg1.

Nicht ganz drei Minuten überlegt der 18-jährige Inder, ehe er der Vorgängerpartie mit 11. Lf4 folgt. Ding Liren könnte nun zwar auf b3 schlagen, allerdings ist dieser Zug mindestens eine Ungenauigkeit, wenn nicht sogar ein Fehler, denn nach Sd2 , Lc4, Sxc4 und dxc4 hat Weiß nicht nur das Läuferpaar, sondern auch mehr als bloß Kompensation.

Ding Liren investiert eine gute Viertelstunde, tauscht dann die Damen und entwickelt seinen angegriffenen Läufer offensiv auf das Feld c2, wo er auch den gegnerischen b-Bauern angreift. Unter anderem gab es diese Stellung 2023 schon zwischen Vladimir Kramnik und Arjun Erigaisi. Kramnik setzte damals mit Lf4 fort. Erstmals kommt allerdings die Antwort von Dommaraju Gukesh nicht umgehend. Der 18-Jährige schaut erstmals ohne Stift in der Hand aufs Brett.

Der Weltmeister hat seine ersten 20 Minuten investiert und ist bei unter 100 Minuten Restbedenkzeit angelangt. Die aktuelle Stellung gibt es allerdings auch her, dass er tiefer reinschaut. Neben den bereits gespielten beiden Zügen Le6 und Dxb3 dürfte er sicherlich auch über alternative Läufer-Züge nachdenken. Le4, Ld7 und sogar Lc8 sind durchaus spielbar, dürften allerdings von Gukesh D sicherlich analysiert worden sein. Aus der Vorbereitung wird der Chinese den Inder somit noch nicht bringen können.

Beide Spieler folgen weiterhin den Vorgängerpartien. Ding Liren findet den logischen 8... Db6 und sein indischer Herausforderer antwortet sofort mit 9. g4, was auch in allen Vorgängerpartien in dieser Stellung aufs Brett kam. Nun spalten sich die bisherigen Partien allerdings auf. Gleich häufig wurde auf den Vorstoß des g-Bauern von Schwarz mit 9... Le6 und 9... Dxb3 geantwortet. Mal sehen, wofür der 32-jährige Chinese sich nun entscheidet.

Ding Liren findet nach ein paar Minuten des Nachdenkens mit 7... Lf5 den objektiv besten Zug, mit dem auch die Vorgängerpartien weitergingen. Dommaraju Gukesh, der erst 53 Sekunden verbraucht hat, wovon der Großteil für das Aufschreiben der Züge aufgewendet wurde, antwortet auch hierauf mit einem vorbereiteten Zug: 8. Db3. Alle Vorgängerpartien gingen an dieser Stelle mit 8... Db6 und dem angebotenen Tausch der Damen weiter.

Ding Liren nimmt sich stets eine Weile, um sich für seine Vorgehensweise zu entscheiden, während Gukesh D stets den Zug nur kurz notiert und dann umgehend seinen eigenen Zug ausführt. Auch 7. h3 hat es dabei in der Vergangenheit schon gegeben - wenn auch mit keinem guten Score für die Weiß-Spieler. Beispielsweise unterlag 2023 Vladimir Kramnik seinem Landsmann Jan Nepomniachtschi mit diesem Zug.

Dommaraju Gukesh ist schnell unterwegs und hat noch keine Minute verbraucht. 4... exd5 ist zwar nahezu forciert. Auch 5... c6 ist der meistgespielte Zug, den der junge Inder nun allerdings nicht mit Lg5 beantwortet, sondern mit Dc2. Auch diesen Zug gab es unter anderem schon zwischen Magnus Carlsen und Vincent Keymer (2023).

Ding Liren bietet mit Sf6, d5 und e6 an, dass mit 4. Sc6 ein abgelehntes Damengambit aufs Brett kommt, was Gukesh D aber offenkundig nicht vorbereitet hat. Er wählt stattdessen den Abtausch in der Mitte und spielt 4. cxd5 - einen Zug, den einst auch Magnus Carlsen gegen Topspieler wie Jan Nepomniachtschi (2022) oder sogar Ding Liren im März diesen Jahres spielte.

Die Partie startet mit einem Paukenschlag! Gukesh D wählt tatsächlich 1. d4. Ding Liren steht die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Anstatt sofort zu antworten, lehnt er sich zurück und sammelt sich kurz.

Nachdem der erst 18 Jahre junge Herausforderer am ersten Spieltag durchaus mit Nervosität kämpfen musste, was ihm in der Zeitnotphase dann auch zunehmend zum Verhängnis wurde, holte er gestern gegen einen nicht allzu angriffslustigen Titelverteidiger mit den schwarzen Figuren immerhin das erste Remis. Ob es ihm geholfen hat, im Turnier anzukommen, in dem bis zu 14 Partien klassisches Schach gespielt werden könnten, wird sich heute zeigen. Mit Weiß und dem damit verbundenen Anzugsvorteil hat Gukesh D jedenfalls die größeren Chancen, etwas zu probieren, könnte die Stellung allerdings auch ruhig halten, um mit einem weiteren schnellen Remis in den morgigen Ruhetag zu gehen und sich zu sammeln.

Beide Spieler führten jeweils einmal die weißen Figuren und überraschenderweise kamen zwei e4-Partien aufs Brett. Am ersten Spieltag wählte Ding Liren mit 1... e6 die Französische Verteidigung, ehe gestern das Italienische Vierspringerspiel gespielt wurde. Während der Weltmeister eigentlich nur selten mit 1. e4 eröffnet, ist Gukesh D ein klassischer e4-Spieler. Grundsätzlich ist daher davon auszugehen, dass der junge Inder davon heute nicht abweicht und wir die dritte e4-Partie zu sehen bekommen. Viel spannender ist die Frage, was Ding Liren erwidert. Überwiegend spielte er in seiner Karriere 1... e5, woraufhin wir den von Dommaraju Gukesh favorisierten Giuoco Piano sehen könnten – die eher ruhige Italienische Partie.

Die Form von Ding Liren scheint pünktlich zur Schach-WM 2024 zurückgekehrt zu sein. Nachdem der Chinese sich nach seinem WM-Titel aufgrund psychischer Erkrankungen eine lange Auszeit nahm, kehrte er in schlechter Verfassung 2024 an die Bretter zurück. Unter anderem übersah er in diesem Sommer beim Norway Chess in einem Match gegen Magnus Carlsen ein zweizügiges Matt, woraufhin viele Szenekenner befürchteten, dass das WM-Match gegen den formstarken Inder Dommaraju Gukesh zur Farce verkommen könnte. Stattdessen führt der Titelverteidiger nach zwei Partien aber mit 1,5 zu 0,5.

Guten Tag und willkommen aus Singapur! Hier findet heute die dritte Partie der Schach-WM 2024 zwischen Ding Liren und Dommaraju Gukesh statt. Der Weltmeister liegt nach einem Sieg und einem Remis mit 1,5 zu 0,5 vorne. Los geht es auch heute wieder um 10:00 Uhr.