Das sechste Match der Schach-WM 2024 endet im Remis, wodurch der WM-Kampf zwischen Ding Liren und Dommaraju Gukesh nun 3,0 zu 3,0 steht. Beide Spieler waren heute bemerkenswert gut vorbereitet, als der Titelverteidiger genau wie bereits bei der Schach-WM 2023 gegen Jan Nepomniachtschi zum Londoner System griff. Der 32-Jährige spielte 20 Züge aus der Erinnerung heraus und hatte damit den Zeitvorteil auf seiner Seite, ehe er 42 Minuten lang in die Stellung schaute und dann ins frühe Remis abwickeln wollte. Alles war schon für das Unterschreiben des Spielbogens bereit, als der indische Herausforderer mit 26... Dh4?! die ambitionierte Entscheidung traf, weiterspielen zu wollen. Dadurch bekam Ding Liren einmal mehr eine ganz leicht vorteilhafte Stellung aufs Brett, die er zwar sehr sauber behandelte, aber einmal mehr nicht übermäßig ambitioniert. Spätestens, als er mit 34. Kc2 den Abtausch der Damen zuließ, bekam sein bis dato um Ausgleich kämpfender Herausforderer auf einmal Gegenspiel. Nachdem dann die Zeitkontrolle geschafft wurde, kam es dann aber in ausgeglichener Stellung doch zur dreimaligen Stellungswiederholung, mit der beide Spieler nun in den zweiten Ruhetag gehen. Am Dienstag geht es dann mit einer Weiß-Partie des 18-jährigen Inders weiter.

Ding Liren überlegt eine Weile, bleibt seiner Linie dann aber treu und vollendet gemeinsam mit Dommaraju Gukesh die dreifache Stellungswiederholung. Die Spieler schütteln sich stumm die Hand und bauen dann wortlos das Brett wieder auf, ehe sie die Bühne verlassen, ohne sich über das Match auszutauschen.

Womöglich kommt es jetzt zur dreifachen Stellungswiederholung? Ding Liren vertreibt den anlaufenden König mit Tg2+ sofort nach h8 und stellt den Turm dann wieder vor den gegnerischen Freibauern auf e3, was es wiederum Gukesh ermöglicht, den König erneut nach g7 zu stellen. Jetzt kann der Chinese mit Tg2+ die Züge wiederholen oder seinerseits prüfen, ob er mit seinen Bauern am Damenflügel selbst noch etwas probieren möchte. Bislang hat der Titelverteidiger sich in diesen Situationen stets für die wenig ambitionierte Fortsetzung entschieden und das Remis genommen.

Der 18-jährige Herausforderer nimmt sich aktuell viel Zeit und setzt nun mit 42... Kg7 fort. 18:44 Minuten hat er noch auf der Uhr. Die Idee dahinter besteht wohl darin, nach dem naheliegenden Th5 den König in die gegnerische Stellung laufen zu lassen.

Der Titelverteidiger zieht seinen König mit 42. Kc2 sofort aus der Schusslinie. Damit dürfte der Inder gerechnet haben. Die spannendere Frage lautet: Wie geht es jetzt weiter?

Gukesh steckt einiges an Zeit in seine Überlegungen und gibt dann das sehr prinzipielle Schach auf d7. Ding Liren, der das Geschehen in den letzten Minuten aus dem Ruheraum heraus verfolgte, macht sich auf den Weg zurück zur Bühne.

So ist es. Ding Liren kehrt ans Brett zurück und schlägt den f-Bauern. Jetzt muss wiederum er auf die Rückkehr von Dommaraju Gukesh warten, der nach dem Erreichen der Zeitkontrolle ebenfalls das Brett verlassen hat, um sich von der anstrengenden Zeitnotphase kurz zu erholen.

Auch der Inder erreicht mit 3:32 Minuten Restzeit auf der Uhr die Zeitkontrolle und erhält nun zusätzliche 30 Minuten, indem er mit 40... h4 seinen h-Bauern weiter nach vorne schiebt. Ding Liren ist gerade im Ruheraum, dürfte aber zweifelsfrei sehr zügig mit 41. Txf5 antworten.

Dommaraju Gukesh schlägt tatsächlich auf h5 raus, womit seine Bauernstruktur zerstört ist. Daraufhin erreicht Ding Liren mit 40. Td5 die Zeitkontrolle, steht auf und verlässt das Brett.

Der 32-Jährige hat noch 5:57 Minuten auf der Uhr und muss nun nur noch einen einzigen weiteren Zug schaffen bis zur Zeitkontrolle. Er versucht, die Situation am Königsflügel zu vereinfachen, indem er mit 39. h5 anhebelt. Das scheint objektiv in Ordnung zu sein.

Ding Liren zieht den König zum ungedeckten gegnerischen f-Bauern, woraufhin sein indischer Herausforderer sofort die Verdopplung der Türme vollendet, sodass der Chinese sich hier noch nicht bedienen kann. Allerdings können perspektivisch auch die Freibauern des Weltmeisters so langsam aber sicher auf die Reise gehen.

Ding Liren überlegt nicht lange, da Te2 nahezu alternativlos ist. Gukesh D hat hierauf schon seine Antwort vorbereitet und zieht 37... Te7 ebenfalls rasch. Drei Züge müssen beide Spieler noch ausführen, ehe es eine halbe Stunde Bedenkzeit on top gibt.

Dommaraju Gukesh ist inzwischen bei 5:03 Minuten Restbedenkzeit angelangt und setzt mit e3 fort, was sehr riskant aussieht, da Ding Liren mit Te2 und Kd3 den Bauern sehr einfach aufhalten sollte.

Der Chinese stoppt mit 36. h4 etwaige Bauernopfer wie g5, was den Vorstoß des f-Bauerns weiter unterstützen würde.

Gukesh zögert nicht lange und tauscht die Damen nun durchaus zu seinen Gunsten ab, da er nach 35... f5 einen gedeckten Freibauern bekommt, der bereits in der gegnerischen Stellung eingedrungen ist. Durch praktisch gute Entscheidung bekommt der Inder nun reichlich Gegenspiel, obschon die Stellung objektiv wieder völlig ausgeglichen ist.

Ding Liren schaut mehr als zehn Minuten in die Stellung hinein und vollzieht dann den sehr überraschenden Zug 34. Kc2, um etwaigen Verstrickungen seines Königs auszuweichen. Damit erlaubt er nun aber auch 34... Dxf4, was abermals wenig ambitioniert aussieht.

Nach weiteren fünf Minuten des Nachdenkens und mit 11:45 Minuten Restbedenkzeit ist es jetzt Dommaraju Gukesh, der mit Df3 den Abtausch der Damen anbietet, den er zuvor in der Partie so häufig ausgeschlagen hat. Kurioserweise ist es jetzt Ding Liren, der sich hierauf nicht einlassen sollte, da der 18-Jährige sonst einen Freibauern bekommen würde.

Ding Liren setzt mit dem natürlichen 33. T1d2 fort. Somit könnte es jetzt durchaus zur eben durchkalkulierten Sequenz kommen, die durchaus vielversprechend für den Weltmeister ist, der immer noch 24:58 Minuten hat - fast zehn Minuten mehr als sein indischer Herausforderer.

Der Inder zieht seine Dame wie erwartet nach e2. Am naheliegendsten ist nun eine Sequenz wie 33. T1d2 De1+ 34. Kc2 Tb8 mit der Idee, die Dame über a1 zur Matt-Drohung zu überführen. Womöglich käme es dann zu einer dreifachen Stellungswiederholung über Td1, Qe2+, T1d2, Qe1, Td1 und so weiter. Allerdings könnte Ding Liren hierbei jederzeit nach Td2 und De1 auf e4 mit der Dame schlage und nach Da1 einfach Tb4 spielen. Das sieht insgesamt schon alles andere als angenehm für den Herausforderer aus.

Ding Liren setzt mit immer noch 30:08 Minuten auf der Uhr mit 32. Td4 fort, was sehr prinzipiell den Bauern auf e4 angreift. Gukesh muss vermutlich Qe2 spielen.

Nach 18 Minuten zieht Dommaraju Gukesh seine Dame erneut, die nun auf b5 ein neues Feld findet. Womöglich will er nach einem in der Luft liegenden Zug wie Te5 die Ausrede Db3 haben, nach der es objektiv weiterhin völlig ausgeglichen bliebe. Allerdings hat der Herausforderer inzwischen nur noch 19:03 Minuten übrig. Ding Liren kann insgesamt noch über eine halbe Stunde überlegen, um die 40 Züge zu erreichen.

Der junge Herausforderer muss jetzt schon über zehn Minuten über seine Fortsetzung grübeln und fällt damit auf weniger als eine halbe Stunde Restbedenkzeit, in der er noch zehn Züge ausführen muss. Erst nach dem 40. Zug gibt es eine halbe Stunde on top sowie ein Inkrement von 30 Sekunden pro gespieltem Zug ab dem 41. Zug.

Ding Liren hat diesen Zug vermutlich schon erwartet und auch berechnet. Ohnehin hat er aber nicht allzu viele Optionen, da er sich um die Drohung Dxa2 kümmern muss. Das macht er, indem er den Bauern nach a3 zieht. Ein logischer und guter Zug.

Nach acht Minuten des Nachdenkens überführt der 18-jährige Inder seine Dame mit 30... Da5 auf den Damenflügel.

Mit 32:28 Restbedenkzeit zieht der Titelverteidiger seine Dame nun nach f4. Damit deckt er weiterhin h2 und ermöglicht es seinem Turm auf d2, Fortschritte zu erzielen. Beispielsweise mit Td7. Der Chinese steht insgesamt angenehmer. Gukesh D könnte es durchaus um die Ohren fliegen, der dreimaligen Stellungswiederholung aus dem Weg gegangen zu sein.

Das Katz-und-Maus-Spiel geht weiter und Dommaraju Gukesh weicht dem Abtausch der Damen mit 29... Dh5 erneut aus. Der Herausforderer hat noch 45:17 Minuten auf der Uhr.

Nach 13 Minuten entscheidet sich Ding Liren nun dafür, mit 29. Dg3 schon wieder den Tausch der Damen anzubieten.

Der 32-jährige Chinese steckt erneut mehr als zehn Minuten in seine Überlegungen und ist inzwischen bei weniger als 40 Minuten Restbedenkzeit angelangt, mit denen er bis zum 40. Zug kommen muss. Erst dann gibt es einen Zeitaufschlag sowie ein Inkrement von 30 Sekunden pro ausgeführtem Zug. Dabei sollte er aufpassen, nicht erneut in Zeitdruck zu geraten, was ihm bereits im dritten Spiel zum Verhängnis wurde.

Der junge Inder überlegt gute fünf Minuten und befragt die Dame des Weltmeisters dann mit 28... Tbe8.

Ding Liren deckt nun mit De5 seinen h-Bauern, womit der Turm auf d2 Fortschritte erzielen könnte. Das hat allerdings den Nachteil, dass Gukesh die Dame nun direkt wieder vertreiben kann, wenn einer der beiden Türme das Feld e8 besetzt. Überhaupt gefällt diese Fortsetzung den gängigen Schach-Engines auf niedriger Rechentiefe nicht, die allesamt als beste Idee ausgeben, direkt den Freibauern auf c3 laufen zu lassen und 28. c4 als den mit Abstand besten Zug ausgeben, der Vorteil verspricht.

Der 18-Jährige setzt ebenfalls recht rasch fort und verschafft im allerersten Schritt der Koordinierung seiner Figuren seinem König mit dem sehr natürlichen 27... g6 ein Luftloch. Es ist außerdem ein nützlicher Abwartezug, nach dem nun der zum Weiterspielen gezwungene Weltmeister zeigen muss, wie er fortsetzen möchte.

Ding Liren stehen gleichermaßen Überraschung und Unbehagen ins Gesicht geschrieben. Der Chinese dachte sicherlich, dass das Spiel für heute gelaufen sei, und muss sich jetzt in der neuen Situation zurechtfinden. Sein Turm auf e1 ist durch Dh4 angegriffen, weshalb er mit 27. Tef1 zunächst einmal einen recht einfachen Zug hat, den er nach kurzer Schockstarre auch ausführt. Die gute Nachricht für den Weltmeister ist, dass er leicht besser steht und die Dame seines Herausforderers jetzt ein Stück weit im Abseits gelandet ist. Den psychologischen Vorteil hingegen hat jetzt ganz klar der junge Inder auf seiner Seite.

Wow, was für eine Überraschung! Ding Liren strebt nach dreiminütiger Bedenkzeit abermals wenig ambitioniert die dreimalige Stellungswiederholung an und ist innerlich wohl schon dazu bereit den Spielbogen zu unterschreiben und in den Ruhetag zu gehen, als ihn Gukesh D mit 26... Dh4 eiskalt überrascht. Der Inder möchte die Partie offenkundig nicht nach gerade einmal zwei Stunden beenden, sondern weiterspielen. Das ist eine Ansage!

Dommaraju Gukesh prüft seine Möglichkeiten ein paar Minuten lang, fällt dann doch als erster Spieler unter die Ein-Stunden-Marke und wiederholt mit 24... De7 mit 57:28 Minuten auf der Uhr erneut die Züge. Jetzt ist es an Ding Liren, die Karten auf den Tisch zu legen und deutlich zu machen, ob er mit Dd6 das Remis nimmt oder noch etwas versuchen möchte.

Jetzt kommt von Ding Liren offenkundig das stille Remis-Angebot. Beide Spieler dürfen sich erst nach 40 gespielten Zügen auf ein Remis einigen. Zuvor kann ein Spiel nur durch dreifache Stellungswiederholung im Remis enden, zu der es nun kommen könnte. Die Dame ist von d5 gestartet und landet dort nun wieder, woraufhin Gukesh D erneut De7 ziehen könnte. Sehen wir heute das schnellste Ende eines Spiels bei der Schach-WM 2024?

Dommaraju Gukesh geht auch diesem Angebot aus dem Weg. Ob hieraus nun eine Art Katz-und-Maus-Spiel entsteht?

Der Weltmeister insistiert jetzt darauf, die Damen zu tauschen. Schlägt der junge Inder das Angebot erneut aus?

Obwohl er seine ersten 20 Züge vermutlich allesamt aus dem Gedächtnis heraus spielte und rasch aufs Brett brachte, hat Ding Liren nur zwei Züge später jetzt auf einmal weniger Zeit als sein Gegner auf der Uhr. Der Chinese wird in Kürze unter die Ein-Stunden-Marke rutschen. Es ist durchaus merkwürdig, dass er sich im Moment so viel Zeit lässt.

Der Weltmeister bietet nach knapp fünf Minuten mit Dd5 den Damen-Tausch an, dem Gukesh allerdings mit De7 sofort aus dem Weg geht.

Nach fast 45 Minuten des Nachdenkens, womit beide Kontrahenten inzwischen eine ähnliche Zeit auf der Uhr haben, schlägt der Weltmeister nun den Bauern auf c6 und erlaubt Gukesh D, der nicht lange zögert, den Bauern auf e5 zu schlagen. Das ist keine Überraschung. Viel überraschender ist, dass nicht sofort der nächste Zug des Chinesen aufs Brett kommt, den er sich gewiss schon längst überlebt haben wird. Merkwürdig.

Schon über 30 Minuten lang rechnet Ding Liren nun am Brett und überlegt, wie er die Partie fortsetzen möchte. In den letzten Partien, in denen er komfortabel aus der Eröffnung herauskam, setzte er nach seiner ersten längeren Phase des Nachdenkens eher wenig ambitioniert fort. Umso gespannter dürfen wir darauf sein, wie die Entscheidung letztlich ausfallen wird. Sein immenser Zeitvorsprung ist jedenfalls auf eine Viertelstunde geschrumpft.

Während Gukesh D schon fast eine ganze Stunde verbraucht hat, schaut nun auch Ding Liren erstmals länger als zehn Minuten in die Stellung, der seine ersten 20 Züge in weniger als sieben Minuten ausführte, wovon ein Teil für das Hin- und Herlaufen zwischen Ruheraum und Brett drauf ging.

Dommaraju Gukesh hat seine Wahl getroffen und setzt mit Df5 fort. Nach Dxc6 und Dxe5 könnten sich zwei Bauern vom Brett tauschen, was sicherlich die prinzipielle Fortsetzung wäre. Da allerdings nicht sofort ein Zug von Ding Liren ausgeführt wird, wird nun vermutlich auch der Weltmeister erstmals nachdenken müssen. Computer-Engines gaben anstatt von 20... Df5 den Zug Tbd8 als beste Variante an. Schwer zu sagen, ob der Chinese also nun durch den Damen-Zug seines Gegners erstmals aus seiner Vorbereitung ist.

Gukesh schaut 20 Minuten lang in die Stellung und entschließt sich dann dafür, dass er den Springer schlagen muss. Macht er das nicht und taucht der Springer anschließend auf d6 auf, wird es richtig ungemütlich für den Inder. Ding Liren muss für 20. Dxc4 natürlich keine Sekunde nachdenken, sodass es jetzt wieder am Herausforderer ist, zu zeigen, wie er die Stellung behandeln möchte.

Mit 17... Le6 hat diese Partie übrigens eine einzigartige Stellung erreicht, die es noch nie zuvor gab. Während Ding Liren hierauf weiterhin blendend vorbereitet zu sein scheint, was seinen jungen Herausforderer in eine unbehagliche Lage versetzt, muss Dommaraju Gukesh alle weiteren Züge am Brett finden und extrem viel berechnen. Abermals investiert er schon zehn Minuten in seine Überlegungen, wodurch er den klaren Nachteil auf der Uhr hat.

Gukesh D entscheidet sich jetzt dafür, mit 17... Le6 den Springer anzugreifen, der den Punkt b2 deckt, an dem ja nicht weniger als Schachmatt droht. 18. Td2 ist erzwungen und kommt auch direkt aufs Brett, woraufhin der Inder mit 18... Df3 den Turm auf h1 angreift, der sofort nach e1 zieht. Ding Liren ist nach wie vor vorbereitet auf die Züge seines Gegners, der schon eine halbe Stunde mehr verbraucht hat.

Der 18-jährige Inder investiert jetzt schon eine Viertelstunde in seine Überlegungen. Ding Liren, der bislang nur seine Vorbereitung aufs Brett brachte und noch nicht nachdenken musste, verfolgt das aus dem Ruheraum heraus.

Gukesh D findet den Zug aus der Vorgängerpartie und setzt mit 16... Tb8 fort, woraufhin Ding Liren abermals nach wenigen Sekunden antwortet. 17. Sc4 ist der Zug, der nicht nur in besagter Vorgängerpartie gespielt wurde, sondern der auch objektiv von gängigen Schach-Engines bei niedriger Rechentiefe als bester Zug ausgegeben wird. Doronkin setzte 2022 gegen Szerlak mit 17... Df2 fort.

Dommaraju Gukesh ist nun der erste Spieler, der in diesem geradezu hektischen Spiel, das eher einem Rapid-Match als einer Partie klassisches Schach gleicht, über fünf Minuten über seinen nächsten Zug nachdenkt.

Beide Spieler haben bislang praktisch überhaupt nicht nachgedacht und ihre Vorbereitungen rausgeblitzt. Sehr schnell kommt auch von Ding Liren 16. dxe5 anstelle von 16. Dxe5. Genau diese Stellung gab es bislang erst einmal im Match zwischen Szerlak und Doronkin in 2022. Damals setzte der Spieler mit den schwarzen Figuren mit 16... Tb8 fort, was auch objektiv der beste Zug zu sein scheint.

Dommaraju Gukesh dringt tatsächlich in die weiße Stellung ein, woraufhin der Weltmeister ganz cool lang rochiert und der junge Inder sogar noch den f-Bauern einsackt. Temporär liegt der Herausforderer damit einen Bauern vorne, obschon die Partie objektiv völlig ausgeglichen ist. Mit den heterogenen Rochaden und den halboffenen g- und f-Linien sieht das nun dennoch extrem gefährlich für den Inder aus, der hier wirklich ganz genau wissen muss, was er tut.

Die Spieler legen ein unfassbares Tempo an den Tag und haben diese Variante scheinbar sehr tief vorbereitet. Temporär gewinnt der Weltmeister einen Bauer, woraufhin Ding Liren allerdings mit Sd2 zulässt, dass der Inder nun auf g2 einsteigt. Spannende Situation: Der Herausforderer muss hier vermutlich eine Reihe an präzisen Zügen finden, um den Ausgleich zu halten. Lässt er sich darauf ein?

Gukesh findet ebenfalls die bekannte Fortsetzung 10... Se4, woraufhin der chinesische Weltmeister den Springer, der sowohl die Dame als auch den Punkt c5 deckt, mit Sfd2 angreift.

Ding Liren verpasst seinem Gegner nach 6. Lb5+ Sc6 mit 7. Lxc6+ den Doppel-Bauern auf der c-Linie und attackiert diesen nach dem Abtausch der schwarzfeldrigen Läufer auch direkt. Als der Inder kurz rochiert, kommt der giftige 10. Da3. Sechs Mal gab es diese Stellung bereits. Alle Vorgänger setzten mit Se4 fort.

Beide Spieler bringen die Züge ausgesprochen schnell aufs Brett und scheinen perfekt vorbereitet zu sein. Bislang gibt es noch keinerlei Abweichungen von gängigen Theorie-Varianten.

Interessant! Ding Liren geht mit 2. Lf4 genau wie im sechsten Match des WM-Kampfs gegen Jan Nepomniatchtschi ins Londoner System - ein auf allerhöchstem Niveau eher selten gesehener Gast. Damals besiegte er den Russen jedoch in einer starken Partie. Für Gukesh D dürfte es dennoch keine allzu große Überraschung sein.

Ding Liren greift nach 1. e4 und 1. Sf3 nun erstmals zu seinem klassischen Eröffnungszug 1. d4.

Nach wie vor ist völlig unklar, ob Ding Liren noch weitere neue Ideen in der Hinterhand hat, mit denen er seinen jungen Herausforderer überraschen könnte. Seine bisherigen Eröffnungen mit Weiß – der Giuoco Piano und das Colle-Zukertort-System – waren eher darauf aus, eine ausgeglichene Stellung aufs Brett zu bekommen, in der Gukesh D hätte große Risiken eingehen müssen, um etwas zu versuchen. Umso spannender sind die Fragen, ob der Chinese auch etwas richtig Scharfes vorbereitet hat, und wann er solche Varianten aufs Brett bringen möchte. Mit Blick darauf, dass heute erst die sechste von bis zu 14 Partien klassisches Schach stattfindet, ergibt es womöglich durchaus Sinn, sich etwaige Geheimwaffen noch zurückzuhalten.

Auch heute hält Ding Liren mit den weißen Figuren im Endeffekt den Schlüssel für den Verlauf der Partie in der Hand. Bislang war seine Eröffnungswahl mit Weiß wenig ambitioniert und es entstanden stets sehr ruhige Stellungen, in denen nicht allzu viel los war. Mit Blick darauf, dass auch Dommaraju Gukesh mit einem weiteren halben Punkt aus einer Schwarz-Partie zufrieden sein dürfte, ist ein weiterer nicht allzu langer Spieltag alles andere als unwahrscheinlich.

Dass Ding Liren, der im Vorfeld der Schach-WM 2024 so manchen eher schwachen Auftritt ablieferte, sich pünktlich zum WM-Kampf wieder in besserer Form präsentiert und zwischenzeitlich sogar in Führung lag, ist sicherlich eine positive Überraschung. Zu konstatieren ist aber, dass der 32-Jährige den Biss vergangener Tage vermissen ließ. In den Spielen zwei, vier und fünf erarbeitete sich der Weltmeister stets eine leicht vorteilhafte Stellung, in der er teilweise sogar gänzlich frei von Risiko hätte über Stunden hinweg versuchen können, auf Sieg zu spielen. Stattdessen ließ er sich in allen drei Fällen sehr bereitwillig und vorschnell auf ein Remis ein.

Willkommen zurück aus Singapur! Hier findet heute die sechste Partie der Schach-WM 2024 zwischen Ding Liren und Dommaraju Gukesh statt. Los geht es um 10:00 Uhr. Nach fünf von bis zu 14 Spielen steht es aktuell 2,5 zu 2,5.