Ding Liren schlägt in der vierten Runde der Schach-WM 2023 zurück, gewinnt seine erste Partie und gleicht nach seiner Niederlage am Montag auf 2,0 zu 2,0 aus. In einer ruhigen Variante im Vierspringerspiel der Englischen Eröffnung hatte der Chinese von Anfang an leichte Vorteile, ehe er im weiteren Verlauf des Spiels regelrecht brillierte. Erst baute er sich durch ein positionelles Bauernopfer ein starkes Zentrum auf und bildete einen gedeckten Freibauern, ehe Jan Nepomnjaschtschi in unangenehmer, aber ausgeglichener Stellung mit gleich zwei überhasteten Springer-Zügen auseinanderbrach. Mit 25... Sf5 schwächte sich der Russe schon unnötig, ehe er mit dem entscheidenden Fehler 28... Sd4 zuließ, dass der Chinese stilvoll die Qualität opferte und daraufhin im Zentrum durchbrechen konnte. Der morgige Ruhetag wird dem Russen sicherlich guttun, für den heute die beste Nachricht lautet, dass der WM-Kampf noch immer remis steht und noch nichts verloren ist. Am Samstag kann Nepomnjaschtschi mit den weißen Steinen wieder angreifen, wenn auch wir wieder im Liveticker dabei sein werden.

Jetzt ist es vollbracht. Ding Liren zieht seine Dame nach f8. Auch Tg8 ist wegen der Antwort Td8 keine Rettung mehr. Jetzt will auch Jan Nepomnjaschtschi sich keine weiteren Züge mehr zeigen lassen. Er schaltet die Uhr aus, reicht dem chinesischen Großmeister die Hand und verlässt die Bühne.

Jan Nepomnjaschtschi weigert sich einfach, aufzugeben. Wirklich angenehm kann diese Erfahrung für den Russen mitnichten sein. Ein Spieler vom Kaliber von Ding Liren würde diese Stellung auch ohne Inkrement gewinnen, wenn er nur noch wenige Minuten auf der Uhr hätte. Trotzdem geht die Partie weiter.

Ding Liren entscheidet sich für den sehr stillen Zug Dg7, mit dem er fast schon Zugzwang aufbaut. Der direkteste Weg zum Sieg wäre zwar Te1 gewesen. Weiterhin ist aber kein Ausweg mehr für Jan Nepomnjaschtschi zu sehen.

Die Züge kommen weiterhin sehr schnell aufs Brett, zumal Jan Nepomnjaschtschi nur noch reagiert und hierbei stets keine Zeit verstreichen lässt. Abermals überlässt er es dem chinesischen Großmeister, einen Gewinnweg zu präsentieren. Ding Liren bleibt ruhig und nimmt sich die Zeit, in Ruhe nachzudenken.

Man muss dem Russen zwar zugutehalten, dass er die Partie nicht abschreibt, sondern noch kämpft. Tatsächlich haben wir in dieser Stellung aber nach 42... f5 bereits ein forciertes Matt in 21 Zügen auf dem Brett.

Jetzt blitzen die Spieler wieder die Züge raus und erreichen damit auch die Zeitkontrolle. Worauf hofft Jan Nepomnjaschtschi, der sich gerade wirklich den Gewinnweg des Chinesen zeigen lässt? Viel Potenzial, um den Sieg noch liegen zu lassen, ist mit Blick darauf, dass Ding Liren inzwischen wieder 70 Minuten Zeit hat, nicht mehr vorhanden.

Für Jan Nepomnjaschtschi ist guter Rat jetzt teuer. Mit Df7 überdeckt er den Punkt e7 zwar noch ein weiteres Mal. Nach dem drohenden d6 dürfte aber die Aufgabe zeitnah erfolgen, da nach cxd6 und Sxd6 die Stellung endgültig auseinanderbrechen würde. Schwer vorstellbar, dass sich der Großmeister diese Fortsetzung am Brett zeigen lassen würde.

Ding Liren zieht seinen Bauern jetzt weiter vor, der nur noch ein Feld vom Umwandlungsfeld entfernt ist.

Der Russe evakuiert seinen König in die Ecke und geht dem drohenden Abzug aus dem Weg. Beide Spieler sind inzwischen übrigens bei unter 20 Minuten angelangt, obschon die Zeit kein Thema mehr werden dürfte. Nur noch fünf Züge fehlen bis zum Aufschlag einer vollen Stunde.

Viele Züge halten den Vorteil und führen zum Gewinn. Ding Liren investiert trotzdem sechs Minuten, um lange genug nach dem bestmöglichen Zug zu suchen. Er entscheidet sich dann für 35. De4. Jan Nepomnjaschtschi muss hierauf konkret reagieren, da ein Springer-Abzug droht. Die Stellung des Russen ist fast vollständig paralysiert und weit und breit ist kein Gegenspiel am Horizont zu erkennen.

Die Züge kommen abermals extrem schnell aufs Brett, da die Sequenzen entsprechend forciert sind. Ding Liren kommt nach dem Abtausch zum vernichtenden Sf5, woraufhin Nepo seinen Turm nach h7 evakuiert. Prinzipiell ist die Stellung inzwischen schon aufgabereif für den Russen.

Ding Liren ist jetzt hellwach und zaubert mit 32. g4 einen wundervollen Zug aufs Brett. Nepo wird en passant schlagen müssen, woraufhin Sf5 und der damit verbundene Knock-out nicht mehr zu verhindern ist.

Ein Fehler bleibt selten allein. Mit 30... g5 verschlechtert Jan Nepomnjaschtschi seine Stellung zusätzlich und erlaubt dem Chinesen mit 31. Sxd4 nun den Schlagzug. Umgehend schickt der Russe 31... Dg6 hinterher und verlässt das Brett in Richtung Ruheraum. Ding Liren muss mit etwas über 29 Minuten Restzeit nun nur noch einen Weg finden, diesen gewaltigen Vorteil zu verwerten. In neun Zügen erhält er überdies den ersten Zeitaufschlag und bekommt weitere 60 Minuten Zeit. Schwer vorstellbar, dass der Weltranglistendritte sich den Ausgleich noch vom Brot nehmen lässt.

Dem Russen dämmert so langsam, in welch missliche Lage er sich mit gleich zwei zweifelhaften Springerzügen gebracht hat. Schon über fünf Minuten seiner Zeit sind verronnen und Sxd4 ist nicht zu verhindern. Objektiv ist es vielleicht sogar am besten, d3 zu ziehen, da Ding Liren auch dann gewiss Sd4 ziehen würde, um den Durchbruch im Zentrum voranzutreiben. Damit würde er allerdings lediglich etwas Zeit gewinnen, da Ding Liren sich irgendwann noch um den gegnerischen d-Bauern kümmern müsste. Dass das seine aktuell wohl beste Option ist, spricht Bände darüber, wie sehr die schwarze Stellung durch 28... Sd4 zusammengebrochen ist.

Bei Ding Liren leuchten die Augen und sofort greift der chinesische Großmeister zu. Als er die Qualität gibt und den Springer des Russen schlägt, zittert sogar seine Hand vor Aufregung. Die Stellung ist für Jan Nepomnjaschtschi objektiv schon verloren, der natürlich keine Wahl hat und mit 29... cxd4 antworten muss. Sofort spielt Ding Liren mit 30. Sb3 die Widerlegung des Patzers 28... Sd4 und zieht sich in den Ruheraum zurück. Der Gesichtsausdruck von Jan Nepomnjaschtschi spricht Bände, dem gerade klar wird, dass er mit diesen viel zu schnell ausgeführten Zügen vermutlich die Partie und damit auch seine Führung im WM-Kampf weggeschmissen hat.

Wow! Der Russe spielt erneut sehr zügig und entscheidet sich nach den beiden noch sehr offensichtlichen Zügen Dh6 und Df3 nicht etwa für g5, sondern für einen dicken Patzer: 28... Sd4. Ding Liren kann jetzt die Qualität geben und positionell im Zentrum durchbrechen.

Genau diese Sequenz kommt jetzt auch aufs Brett. Mit Zügen wie Dh6 gefolgt von Df3 und g5 könnte Jan Nepomnjaschtschi sich zwar an seinen Bauern klammern. An Schärfe verlieren würde die Stellung damit aber mitnichten. Eher im Gegenteil.

Ding Liren spielt schnell und verdoppelt die Türme, ehe Jan Nepomnjaschtschi ebenfalls binnen Sekunden einen Zug ausführt und mit 25... Sf5 einen sehr zweifelhaften Zug aufs Brett bringt. Sollte der Chinese nun Lxh5 spielen und Dxh5 folgen, wäre der Bauer auf f4 mit Te4 kaum noch zu halten.

Für Jan Nepomnjaschtschi tut sich im Zuge dieser Entwicklungen mit d6 ein gutes Feld für den umgruppierten Springer auf, das er nun ohne große Überlegungen einnimmt. Ohnehin ist es jetzt an Ding Liren, einen etwaigen Vorteil nachzuweisen.

Der chinesische Großmeister nimmt das Angebot an und zieht mit e6 vorbei. Ding Liren hat jetzt offiziell einen gedeckten Freibauern, der im Moment aber noch erfolgreich aufgehalten wird.

Der Zug 23... f6 ist von Jan Nepomnjaschtschi auch ein Zugeständnis. Es sieht aber so aus, als würde der Zug funktionieren und die Probleme des Russen fürs Erste lösen, obwohl Ding Liren mit e6 nun vorbeiziehen und einen Freibauer gefährlich nahe der gegnerischen Grundreihe platzieren kann. Die verdoppelten Türme halten aber alles zusammen und unterbinden weitere Vorstöße.

Derweil bereitet Ding Liren nun ebenfalls die Verdopplung der Türme auf der e-Linie vor und behält die Spannung zwischen den Läufern auf dem Brett.

Jan Nepomnjaschtschi antwortet nun relativ schnell mit der Umgruppierung seines Springers, der auf a5 keine Perspektive mehr hatte. Er soll über b7 wieder ins Spiel überführt werden.

Ding Liren investiert eine Viertelstunde und ist nun bei 39 Minuten und 57 Sekunden Restzeit angekommen. Mit 22. Lf3 strebt er nun den Läufertausch an.

Eine Drohung, den Bauern auf e5 zu gewinnen, stellt die Verdopplung der Türme übrigens noch nicht dar. Selbst wenn jetzt ein Null-Zug von Ding Liren käme, hätte Ding Liren nach Txe5 immer wieder die wunderschöne Antwort Lxh7+ nebst Gewinn der Qualität. Dennoch könnte es eine Idee für den Chinesen sein, mit Lf3 direkt zu reagieren, was ihm perspektivisch das Feld f3 für seinen Springer einbringen könnte.

Obwohl 20... Te7 den nun ausgeführten Zug 21... Tde8 logisch vorbereitet hat, steckt Jan Nepomnjaschtschi weitere fünf Minuten ins Geschäft, ehe er getreu dem Motto "Wer A sagt, muss auch B sagen" die Türme auf der e-Linie verdoppelt.

Ding Liren investiert ebenfalls über acht Minuten, wodurch auch der 30-Jährige unter eine Stunde fällt. Mit 55 Minuten und 47 Sekunden Restzeit entscheidet er sich dafür, die Position seiner Dame mit Dc3 zu verbessern und auch den Punkt e5 damit zu decken.

Nach 17-minütigen Überlegungen zieht Jan Nepomnjaschtschi nun 20... Te7. Der Russe strebt die Verdopplung auf der e-Linie hat, hat inzwischen aber nur noch 46 Minuten und neun Sekunden auf der Uhr.

Wie kompliziert die Stellung inzwischen ist, spiegelt sich in den momentan sehr langen Denkphasen beider Spieler wider. Erneut denkt Jan Nepomnjaschtschi seit bereits über zehn Minuten nach, wie er die Partie fortsetzen kann. Die Entscheidung ist denkbar schwer. Gut möglich, dass es in diesem Spiel noch zu Zeitnotphasen kommt. Der Russe ist noch vor der Ausführung seines 20. Zugs unter die Ein-Stunden-Marke gerutscht. Zur Erinnerung: Ein Inkrement pro gespieltem Zug gibt es erst ab Zug 61, während eine zusätzliche Stunde erst nach dem 40. Zug aufs Konto der Spieler wandert.

Ding Liren entwickelt seinen weißfeldrigen Läufer nach e4, womit er aktiv gegen mögliche c6-Ideen des Russen arbeitet und auch einem zweischneidigen Vorstoß mit f3 den Riegel vorschiebt. Damit bleibt weiterhin viel Potenzial in der Stellung.

Jan Nepomnjaschtschi bleibt kurz im Ruheraum, kehrt dann aber nach gut drei Minuten auf die Bühne zurück und evakuiert seinen angegriffenen Läufer nach h5. Die logische Fortsetzung, die gewiss auch Ding Liren erwartet haben wird.

Der chinesische Großmeister investiert eine volle Viertelstunde und befragt dann mit 19. h3 im ersten Schritt den weißfeldrigen Läufer.

Ding Liren denkt seit über zehn Minuten schon am Brett nach. Der Russe hat grundsätzlich noch die Drohung in petto, mit c6 das weiße Zentrum zu attackieren. Folgerichtig muss der Chinese durchaus etwas Konkretes finden, was er diesem Zug entgegen setzen kann.

Jan Nepomnjaschtschi macht kein Geheimnis aus seinem nächsten Zug und zieht binnen weniger Sekunden die Fortsetzung, an der er eben gerade offensichtlich schon lange rechnete. Es ist 18... b6. Objektiv bleibt die Stellung damit ausgeglichen. Trotz Mehrbauer muss jedoch der Russe weiterhin die schwierigeren Fragen beantworten. Ganz offensichtlich ist jedoch auch bei der Stellung der weißen Figuren nicht, wie Ding Liren weiter Fortschritte erzielen kann.

Ding Liren nimmt die Einladung, c4 zu spielen, jedenfalls dankend an. Gleich werden wir also sehen, wie Jan Nepomnjaschtschi darauf reagieren möchte.

Neuneinhalb Minuten dauert es, ehe Jan Nepomnjaschtschi aus dem Ruheraum zurückkehrt. Weitere vier Minuten sitzt er noch nachdenklich am Brett, ehe er mit 17... Tad8 fortsetzt. Ein Stück weit auch ein Abwartezug, mit dem er Ding Liren ermöglicht, den d-Bauern mit c4 zu stabilisieren. Was hat der Russe geplant? Einen Gegenstoß mit b6 oder sogar b5?

Acht Minuten sind bereits seit dem letzten Zug von Ding Liren vergangen. Jan Nepomnjaschtschi, der diesen Zug aus dem Ruheraum heraus verfolgt hat, bleibt seitdem der Bühne fern.

Ding Liren hat diese Variante vermutlich schon bei seinen Überlegungen über den Zug 15. c5 geplant und zieht nun tatsächlich mit 17. d5 vorbei. Damit verbleibt er zwar vorübergehend mit einem Minusbauern, bekommt aber Spiel im Zentrum, das für Jan Nepomnjaschtschi gar nicht mal so leicht zu attackieren ist.

Die angegriffene Dame des russischen Großmeisters findet auf h6 ein neues Feld. Eine logische Fortsetzung für Ding Liren könnte nun im Vorbeiziehen im Zentrum bestehen. Der Bauern-Zug d5 bietet sich an.

Natürlich hat der chinesische Großmeister einen Zwischenzug geplant. Die Frage ist nur, ob er e5 oder h3 spielt. Es ist erstgenannter Zug, der die gegnerische Dame befragt.

Jan Nepomnjaschtschi schaut kurz rein, findet aber nichts, was dagegen spricht, den vorgezogenen Bauern des Chinesen zu schlagen.

Ding Liren steckt über elf Minuten in die Entscheidungsfindung. Natürlich muss er das gegnerische c5 verhindern, das mit Sa5 angestrebt werden sollte. Auch weil Da4 als Engine-Zug nicht gerade die natürlichste Fortsetzung ist, unterbindet er diesen Vorstoß nun, in dem er seinerseits c5 zieht. Eine sinnvolle, menschliche Fortsetzung.

Wow! Nach der fast schon chirurgischen Genauigkeit, mit der beide Sportler gestern agierten, mehren sich am heutigen Spieltag die Fehler und Ungenauigkeiten. Auch 14... Sa5 von Jan Nepomnjaschtschi kann als Fehler ausgelegt werden, da es dem Chinesen nun nach Da4 und b6 den Aufbau mit f3 ermöglicht.

Jan Nepomnjaschtschi nimmt die Einladung zu 13... Lg4 nach kurzer Bedenkzeit an, woraufhin Ding Liren nicht etwa den Läufer nach e2 zurück zieht, sondern stattdessen mit dem Springer nach d2 ausweicht. Noch ist unklar, wie der chinesische Großmeister mit dieser Aufstellung fortsetzen möchte.

Nach über zwölf Minuten setzt Ding Liren jetzt mit 13. Ld3 fort, was zumindest in puncto Engine-Bewertung wie ein positioneller Fehler wirkt. Wie will der Chinese nun schließlich auf die extrem verlockende Antwort 13... Lg4 reagieren? Nahezu forciert müsste Ding Liren dann schon mit 14. Le2 antworten.

Jetzt ist es der chinesische Großmeister, der sich erstmals richtig viel Zeit nimmt. Schon über zehn Minuten lang sitzt Ding Liren am Brett und rechnet. Womöglich am zweischneidigen Zug 13. c5? Eine etwas ruhigere Alternative wäre 13. h3.

Der russische Großmeister entscheidet sich mit 12... Te8 nach fast zehnminütigem Nachdenken für den ruhigen Zug.

Jan Nepomnjaschtschi kann jetzt theoretisch mit 12... g5 die Brechstange auspacken und auf Angriff spielen. Objektiv betrachtet, ist dieser Plan völlig in Ordnung. Allerdings exponiert er damit eben auch seinen König, was mit großen Risiken einhergeht. Will der Russe ruhiger spielen, würde sich ein Zug wie Te8 anbieten, mit dem jedoch sein weißfeldriger Läufer auf der Grundreihe verbliebe. Lg4 läuft derweil in h3 hinein. Ein Zug, den Ding Liren ohnehin über kurz oder lang spielen möchte. Sollte es hingegen zu 12... g5 13. h3 g4 14. hxg4 kommen, wäre 14... Lxg4 eine Antwort, mit der auch der weißfeldrige Läufer befreit wäre. Schärfer könnte die Stellung dann allerdings auch schwerlich sein.

Die Pause zwischen den Zügen wird bei Ding Liren zwar länger. Dennoch ist es gut möglich, dass der Chinese nach wie vor voll in seiner Vorbereitung ist. Auch 12. Tfe1 ist die erste Wahl der Engine in dieser Stellung, die der weißen Seite bereits einen hauchzarten Eröffnungsvorteil attestiert. Jan Nepomnjaschtschi muss im Moment definitiv genauer spielen, hat aber schon mehr als doppelt so viel Zeit wie Ding Liren verbraucht.

Jan Nepomnjaschtschi muss sich um den f-Bauern kümmern, der ein potenzielles Ziel für Ding Liren darstellt. 11... Df6 ist hierfür ein sehr natürlicher Zug.

Der chinesische Großmeister weicht jetzt von der Vorgängerpartie seines Sekundanten ab und diese Entscheidung weiß zu gefallen. Der Rapport-Zug 11. h4 schneidet auch in der Engine-Bewertung nicht so gut ab wie der Zug, den Ding Liren jetzt wählt: 11. O-O.

Ding Liren nimmt den Springer vom Brett, woraufhin Jan Nepomnjaschtschi forciert mit dem e-Bauern zurück nimmt. Richárd Rapport vs. Ilja Zaragatski (2013) ist weiterhin die prominenteste Vorgängerpartie, der dieses vierte Spiel der Schach-WM weiterhin folgt. Richárd Rapport setzte damals mit h4 fort.

Sollte Rapport seine Finger hier im Spiel haben, so wäre der Plan definitiv aufgegangen, denn Nepomnjaschtschi spielt mit 9... Sf4 genau den Zug, mit dem Zaragatski gegen Rapport damals ins Hintertreffen geraten ist.

Abermals antwortet Ding Liren binnen Sekunden und zieht 9. d4. Interessant ist, dass es hierzu eine Vorgängerpartie gibt, in der Richárd Rapport, der Sekundant des Chinesen, sich mit den weißen Steinen gegen den deutschen Großmeister Ilja Zaragatski durchsetzte. Ist hier die Handschrift des Sekundanten zu erkennen? Zaragatski setzte damals übrigens mit Sf4 fort, was bereits eine ganz leichte Ungenauigkeit war. Ausgleich behält Schwarz hingegen mit dem Zug Df6.

Jan Nepomnjaschtschi verbraucht früh in der Partie weiterhin viel Zeit, findet dann aber nach knapp fünf Minuten den Theorie-Zug 8... Sh5. Der Russe hat bereits eine Viertelstunde verbraucht. Ungewöhnlich für den sonst immer sehr schnell spielenden 32-Jährigen.

Ding Liren ist immer noch voll in seiner Vorbereitung und führt im Rahmen der ruhigen Variante des Vierspringerspiels in der Englischen Eröffnung den absoluten Theorie-Zug 8. Le2 aus.

Jan Nepomnjaschtschi schaut fünfeinhalb Minuten in die Stellung hinein und spielt dann mit der kurzen Rochade die logische Fortsetzung.

Beide Spieler sind nach wie vor sehr schnell unterwegs. Zum bereits zweiten Mal zieht Ding Liren seinen e-Bauern, woraufhin Jan Nepomnjaschtschi nun die kurze Rochade durchführen dürfte. Zumindest kam dieser Zug in weit über 90% aller Vorgängerpartien, in denen diese Stellung bereits auf dem Brett war.

Nepomnjaschtschi spielt den prinzipiellen Zug. Er gibt sein Läuferpaar auf, schwächt damit aber auch die Bauernstruktur des Chinesen.

Die Partie folgt normalen Zügen. Noch keine Überraschungen. Nach 5. Dc2 dürfte Nepomnjaschtschi nun seinen weißfeldrigen Läufer gegen den Springer geben. Zumindest entspricht das der absoluten Hauptvariante in diesem System.

Ding Liren hat die Möglichkeit, über Zugumstellungen auch noch in d4-Systeme zu gelangen, bleibt dann aber der Englischen Eröffnung treu. Nach Entwicklung aller Springer landet die Partie im Englischen Vierspringerspiel.

Ding Liren entscheidet sich für 1. c4 - einen seiner drei Standardzüge. Die Englische Eröffnung.

Ding Liren ist der erste Spieler, der am Brett sitzt. Jan Nepomnjaschtschi liegt zunächst im Ruheraum noch auf seiner Couch, kommt nun aber auch auf die Bühne. Der Handschlag erfolgt. In Kürze kann die Partie starten.

Gestern eröffnete der versierte e4-Spieler Nepomnjaschtschi mit dem für ihn sehr ungewohnten Zug 1. d4. Ist es heute Liren, der für eine Überraschung sorgt? Der chinesische Großmeister ist als d4-Spieler bekannt, beginnt aber gerne auch mit Zügen wie 1. c4 oder 1. Sf3, mit denen er über Zugumstellungen in seinem gewohnten d4-Repertoire landen kann. Alles andere als einer dieser drei Eröffnungszüge wäre der nächste kleine Paukenschlag in diesem WM-Kampf.

Sehr spannend ist die Frage, ob Ding Liren mit den weißen Figuren als anziehender Spieler heute angreifen wird oder ob er stattdessen im Rahmen einer weiteren ruhigen Partie zunächst einmal nach einem weiteren Remis strebt. Mit Weiß hat er jedenfalls die besseren Optionen, um auf Sieg zu spielen, wofür er allerdings auch etwas zeigen muss. In seiner ersten Weiß-Partie spielte der 30-Jährige in einer Art abgelehntem Damengambit den kuriosen Abwartezug 4. h3, nach dem Jan Nepomnjaschtschi mühelos ausgleichen konnte.

Nach seiner Niederlage in der zweiten Partie zeigte Ding Liren nach dem Ruhetag ein völlig anderes Gesicht. Der Chinese saß über weite Strecken der Partie konzentriert am Brett, erarbeitete sich eine sichere und angenehme Stellung, aus der heraus er sogar noch etwas hätte versuchen können, und wickelte am Ende eines fehlerfreien Spiels sicher ins Remis ab.

Jan Nepomnjaschtschi spielte mit den weißen Steinen zwei Mal remis, konnte jedoch in seiner ersten Schwarz-Partie einen Sieg gegen Ding Liren verbuchen. In der Summe führt der Russe mit 2,0 zu 1,0. Noch ist es aber ein weiter Weg zum WM-Titel. Für den Gesamtsieg bei der Schach-WM 2023 braucht es 7,5 Punkte.

Guten Tag und herzlich willkommen zurück aus Astana. Hier findet heute die vierte Partie der Schach-WM 2023 zwischen Jan Nepomnjaschtschi und Ding Liren. Los geht es um 11:00 Uhr.